Lebensweise und Verhalten von Feld- und Schermäusen in Obstanlagen

            Nagetierschäden in Obstanlagen werden hauptsächlich durch Feld- und Schermäuse verursacht. Beide Arten gehören zur Gruppe der Wühlmäuse, zu denen verschiedene kurzschwänzige Nager gezählt werden. Im Gegensatz zu den Langschwanzmäusen charakterisiert sie neben dem relativ kurzen Schwanz ein gedrungener Körperbau mit stumpfer Schnauze, kleine Augen und häufig im Fell verborgene kleine Ohren. Auf Grund ihrer Anatomie sind sie an die unterirdische Lebensweise gut angepaßt.

            Vergleich einiger biologischer Kenndaten der Feld- und Schermaus

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            Feldmaus
            Schermaus
            Körpergewicht (g)
            18 – 40
            60 - 180
            Kopf-Rumpf-Länge (cm)
            9,5 - 12
            12 - 22
            Schwanzlänge
            1/4 - 1/3 Körperlänge
            mind. 1/2 Körperlänge
            Fortpflanzung
            März bis Oktober
            März bis Oktober
            Wurfzahl
            2 – 4
            2 - 4
            Wurfgröße
            5 – 6 (1 – 13)
            4 – 6 (1 – 14)
            Tragzeit
            20 Tage
            22 Tage
            Geschlechtsreife
            ab 11 – 13 Tage
            mit ca. 2 Monaten
            Populationsdichte
            bis 5.000 Indiv./ha
            bis 1.000 Indiv./ha
            Winterruhe
            keine
            keine


            Schermaus (Arvicola terrestris)

            Die Gattung Arvicola ist in Europa mit zwei Arten vertreten: die Südwestschermaus (Arvicola sapidus) in Südfrankreich, Spanien und Portugal und die Ostschermaus (Arvicola terrestris) in fast ganz Europa. Maßgebend für die Aufgliederung der Gattung in zwei Arten ist die unterschiedliche Chromosomenzahl (Westschermaus 40, Ostschermaus 36 Chromosomen).
            Bei den in Deutschland lebenden Schermäusen unterscheidet man hauptsächlich zwei Unterarten: die wasserlebende Form “Niederungsrasse” (Arvicola terrestris terrestris) und die landlebende Form “Hochgebirgsrasse” (Arvicola terrestris scherman). Die beiden Formen unterscheiden sich auffällig in der Lebensweise und im Verhalten.


            Vorkommen

            Die wasserlebenden Schermäuse bevorzugen vorwiegend dicht bewachsene Ufer langsam fließender Gewässer. Optimal sind solche mit schlammigen Rändern und schlickigem Grund, einer Uferböschung von über einem Meter und einer Wassertiefe von mehr als 20 cm. Man findet sie auch an Seen und Teichen, in Mooren und Sümpfen, an Be- und Entwässerungsgräben und an Kanälen.
            Die landlebenden Schermäuse abseits der Gewässer bevorzugen Gebiete mit hohem Niederschlag, tiefgründige Böden, schattige Lagen, besonders Nordhänge, Brachland und Flächen, die wenig gemäht werden. Sie leben in lichten Laubwäldern, Wiesen, Gärten, Obstanlagen und Forstkulturen. Sandige und steinige Böden werden meistens gemieden.


            Lebensweise

            Für die wasserlebenden Schermäuse sind die Wassergräben im Alten Land ein bevorzugtes Biotop. Sie kommen dort in großer Zahl vor und richten beträchtlichen Schaden an den Obstbäumen an. Im Gegensatz zu den landlebenden Schermäusen halten sie sich häufig im Freien auf. Sie können gut schwimmen und tauchen und suchen die meiste Nahrung im Wasser und an der Uferböschung. Ihre Gänge und Nester dienen mehr dem Unterschlupf und der Jungenaufzucht als der Nahrungssuche. Die Eingänge münden teils unter, teils über dem Wasserspiegel, werden nicht verschlossen wie bei den landlebenden Schermäusen und sind im hohen Pflanzenbewuchs nur schwer zu entdecken. Die Gangsysteme scheinen nicht sehr ausgedehnt zu sein und nicht weiter als 2 m in die Böschung hinein zu reichen, da Bäume in weiterer Entfernung vom Graben nur selten geschädigt werden. Offensichtlich haben die Tiere große Mühe, in den schweren Marschboden ausgedehnte Gangsysteme zu graben. Deshalb werden trockene Gräben gewöhnlich nicht besiedelt. Sie bevorzugen den Lebensraum am Wasser, wo sie sich schneller fortbewegen können und reichlich Futter finden.
            Die landlebenden Schermäuse findet man in fast allen Obstanlagen. Abweichend von den wasserlebenden Tieren führen sie ein vorwiegend unterirdisches Dasein. Sie sind besonders licht- und zugempfindlich und halten deshalb ihre Gangsysteme stets geschlossen. Wird der Gang geöffnet, so verschließen sie die Öffnung nach kurzer Zeit mit Erde. Die verzweigten Baue haben gewöhnlich eine flächenhafte Ausdehnung von bis zu 10 x 10 m und reichen häufig bis in 1 m Tiefe. Die Gesamtlänge schwankt zwischen 20 und 100 m. In Obstanlagen, in denen befahrene Grünstreifen mit unkrautfreien Baumstreifen wechseln, verlaufen die Gänge hauptsächlich in der lockeren Erde der Baumstreifen, nur wenige führen durch den verdichteten Boden der Fahrgassen.
            Die Schermaus wird als Zahnwühler bezeichnet, da sie beim Graben der Gänge das Erdreich mit den Nagezähnen lockert und anschließend durch Schieben mit dem Kopf an die Oberfläche drückt. Dadurch entstehen flache Erdhaufen mit seitlicher Gangöffnung im Gegensatz zu den mehr kegelförmigen Mauswurfshügeln mit zentraler Gangöffnung. Wegen der großen Schwierigkeiten beim Graben der Gänge nutzen Schermäuse gerne Maulwurfsgänge und auch die künstlichen Gänge des Wühlmauspflugs.


            Nahrung

            Schermäuse ernähren sich hauptsächlich von saftigen vegetativen Pflanzenteilen, z. B. frischen Wurzeln und Sprossteilen von krautigen Pflanzen. Pflanzenteile mit geringem Wassergehalt, z. B. Samen, werden kaum angenommen, wie Laborversuche gezeigt haben. Wasserlebende Schermäuse suchen ihre Nahrung außerhalb des Gangsystems im Wasser und am Ufer. Landlebende Schermäuse fressen vorwiegend die Wurzeln, auf die sie beim Anlegen von “Fraßgängen” stoßen. Außerdem nutzen sie die ständig in das Gangsystem nachwachsenden Wurzeln. Auf landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten Standorten befressen sie vor allem unterirdische Speicherorgane von Gemüse- und Zierpflanzen sowie die Wurzeln verschiedener Bäume und Sträucher. Die täglich aufgenommene Nahrungsmenge beträgt etwa 80 % des Körpergewichts. Da Schermäuse keinen Winterschlaf halten und im Winter die Nahrung knapp ist, legen sie in Vorratskammern Vorräte an, z. B. Löwenzahnwurzeln oder Schwarzwurzeln.


            Vermehrung

            Die Fortpflanzungsperiode erstreckt sich gewöhnlich von Mitte März bis Mitte Oktober. Bei milder Witterung und unter Schnee ist auch eine Wintervermehrung möglich. Ein Weibchen bringt in einem Jahr in zwei bis vier Würfen durchschnittlich 23 Junge zur Welt. Die Tragzeit beträgt 20-23 Tage. Ein Weibchen kann unmittelbar nach dem Wurf wieder gedeckt werden. Die Jungen sind nach ca. zwei Monaten geschlechtsreif und können schon im Geburtsjahr Junge bekommen. Bei optimalen Futter- und Witterungsbedingungen kann die Populationsdichte sehr stark ansteigen. Ähnlich wie bei Feldmäusen sind auch bei Schermäusen zyklische Massenvermehrungen zu beobachten. In sogenannten Schermausjahren können bis zu 1000 Tiere pro ha vorkommen. Derartige Höhepunkte der Vermehrung treten im Abstand von 5 bis 8 Jahren auf. Auch in den Niederungsgebieten kommt es dann zu einem deutlichen Anstieg der Populationsdichte.



            Feldmaus (Microtus arvalis)

            Die Feldmaus gehört in ihrer Gattung zu den kleinen Wühlmäusen. Sie ist nur halb so groß wie die Schermaus und durch den kurzen Schwanz (< ½ Körperlänge) auch von jungen Schermäusen gut zu unterscheiden.


            Vorkommen

            Feldmäuse bevorzugen primär offenes, nicht zu feuchtes Grasland mit nicht zu hoher Vegetation. Bei hoher Populationsdichte wandern sie auch in Klee-, Luzerne- und Getreideschläge und häufig auch in Gärten und Obstanlagen.


            Lebensweise

            Feldmäuse bewohnen in Kolonien mit bis zu 20 Tieren verzweigte Gangsysteme, die gewöhnlich flach unter der Erdoberfläche verlaufen. Die zahlreichen Gangöffnungen sind durch oberirdische Wechsel miteinander verbunden. Die Kolonien werden meistens von mehreren Weibchen mit ihren Jungen bewohnt. Im Sommer ist die Feldmaus überwiegend am Tage und im Winter mehr nachts aktiv.


            Nahrung

            Die Hauptnahrung der Feldmaus besteht aus grünen Sprossteilen von Gräsern und Kräutern. Nach Jahreszeit und Futterangebot spielen im Winter und Frühjahr vor allem Gräser und unterirdische Pflanzenteile eine Rolle. Im Sommer und Herbst werden Getreidekörner und andere Samen bevorzugt. In Obstanlagen fressen Feldmäuse besonders unter der Mulchschicht gern die Rinde am Stamm der Obstbäume.


            Vermehrung

            Die Feldmaus besitzt ein hohes Reproduktionsvermögen. Unter günstigen Klima- und Futterbedingungen kann sie sich ganzjährig fortpflanzen. Durch die sofortige Belegung der Weibchen nach jedem Wurf kommen alle drei bis vier Wochen fünf bis sechs Junge zur Welt. Die jungen Weibchen sind bereits nach nur 11-13 Tagen fortpflanzungsfähig. Bei ungestörter Vermehrung kann es in machen Jahren zu einer Massenvermehrung kommen. In solchen Gradationsjahren werden in den Grünlandgebieten im nordwestdeutschen Küstengebiet bis zu 5000 Individuen pro Hektar erreicht. Zu derartigen Massenvermehrung kommt es alle 2 bis 4 Jahre. Jedoch werden nicht immer so extrem hohe Dichten erreicht. Oft verläuft der Zyklus in benachbarten Gebieten synchron. Die Erklärung für diese Vermehrungszyklen liegt in einem Wechselspiel zwischen der hohen Vermehrungsfähigkeit der Wühlmäuse und den Nahrungs- und Witterungsbedingungen begründet. Nach einer Massenvermehrung bricht die Population zunächst zusammen und benötigt anschließend einige Jahre, um wieder ein mittleres Niveau zu erreichen.


            Weiterführende Literatur

            Fortmann, H. (1996): Wühlmäuse und Maulwürfe – Erkennen, Vorbeugen, Abwehren. Niederhausen/Ts. (Falken-Verlag). 69 S.

            Gaudchau, M.-D. (1983): Die Schermaus und ihre Bekämpfung. Agrar- und Umweltforschung in Baden-Württemberg, Band 4, Stuttgart (Ulmer-Verlag).

            Mesch, H. (1993): Die Scher- oder Große Wühlmaus im Klein-, Haus- und Erwerbsgarten. Berlin (Dt. Landwirtschaftsverlag)

            Niethammer, J. und F. Krapp (1982): Handbuch der Säugetiere Europas. Band 2/I, Nagetiere. Wiesbaden, (Akademische Verlagsgesellschaft).


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