Leitlinien "Ländliche Bodenordnung" in Rheinland-Pfalz"

2. Agrar- und umweltpolitische Leitlinien für die Ländliche Bodenordnung in Rheinland-Pfalz
Das agrar- und umweltpolitische Leitbild der Landesregierung für die Landwirtschaft sind Betriebe, die im Neben-, Zu- wie im Vollerwerb wirtschaftlich existenz- und leistungsfähig sind und marktorientiert sowie nachhaltig umweltgerecht Nahrungsmittel mit hoher Qualität und nachwachsende Rohstoffe erzeugen.

Die agrarstrukturellen Faktoren, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe bestimmen, sind die Betriebsgrößen und die Flurverfassung. Die Betriebsgrößenstruktur befindet sich in einem raschen Wandel hin zu größeren Betrieben. Die wirtschaftlichen Vorteile, die größere Betriebseinheiten bieten, können jedoch in Rheinland-Pfalz vielfach nur unzureichend genutzt werden, weil die Anpassung der Flurverfassung bei weitem nicht dem Tempo des Strukturwandels folgen konnte. Zahlreiche Vollerwerbsbetriebe der Landwirtschaft und des Weinbaus in Rheinland-Pfalz müssen zu viele und zu kleine Parzellen bewirtschaften. In einer großen Zahl von Gemeinden mit ungünstiger Flurverfassung liegen die Arbeits- und Maschinenkosten um 30 bis 50 % höher als in anderen Agrargebieten der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Für die Bodenordnung hat daher die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen, weinbaulichen und forstlichen Betriebe durch Anpassung der Flurverfassung an die Anforderungen eines rationellen Einsatzes von Maschinen- und Arbeitskräften eine hohe Priorität im Rahmen des Programms "Ländliche Bodenordnung 1995 bis 1999".

Die Umsetzung dieser agrarstrukturellen Aufgabe ist von der Bodenordnung mit der Bedingung in Einklang zu bringen, dass Landbewirtschaftung nur dann nachhaltig umweltgerecht betrieben werden kann, wenn die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes erhalten bzw. wiederhergestellt wird. Neben der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes kommt der Bewahrung bzw. der Be­reicherung der Landschaftsstruktur (Landschaftsbild) eine entscheidende Bedeutung zu.

In der Vergangenheit wurde bis in die 70er Jahre hinein auf Grund der vorwiegenden Ausrichtung der Bodenordnung an den von der Gesellschaft und der Agrarpolitik gesetzten ökonomischen Zielen der Intensivierung sowie der Produktionssteigerung und des fehlenden ökologischen Problembewusstseins in der Bevölkerung, der Wirtschaft und in der Verwaltung die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes durch Flurbereinigungen beeinträchtigt, ja in vielen Fällen sogar schwer geschädigt. Mit der Beseitigung von Bäumen, Hecken, Streuobstbeständen und Feldrainen, mit der Dränung von Feuchtwiesen, der Umwandlung von Halbtrockenrasen in Ackerflächen und der Begradigung von Bächen wurden die Lebensräume für wildlebende Tiere und Pflanzen in erheblichem Umfang eingeengt und in Teilgebieten völlig zerstört. Als Folgewirkung kommen langfristig Schädigungen des Bodenhaushaltes hinzu. Zurückgeblieben sind teils nur noch Produktionsstandorte in weitgehend ausgeräumten Landschaften. Die natürlichen Regulationsprozesse, auf die eine nachhaltige Landbewirtschaftung angewiesen ist, sind auf diesen Standorten erheblich beeinträchtigt.

Nachhaltig umweltgerecht kann Landbewirtschaftung nur sein, wenn sie in Zukunft soweit als möglich zu geschlossenen Stoffkreisläufen zurückkehrt und wieder natürliche Selbstregulationsprozesse wie z.B. die Förderung von Antagonisten oder Fressfeinden von Schädlingen nutzt.

Der Austrag von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in das Grundwasser, die Oberflächengewässer und in die Atmosphäre sowie die Bodenerosion ist auf ein Maß zurückzuführen, das die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sichert. Nach neuesten agrarwissenschaftlichen Erkenntnissen ist zur Verwirklichung dieses Zieles auf einigen Agrarstandorten wie insbesondere in Wasserschutzgebieten die Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung unter das Maß zu senken, das heute den Regeln ordnungsgemäßer Landbewirtschaftung entspricht.

Die Agrarwissenschaft fordert gleichzeitig dazu auf,
  • der Humuswirtschaft wieder größere Beachtung zu schenken und
  • der Bodenerosion sowie der Bodenverdichtung entschiedener als bisher entgegenzuwirken.
Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes umfasst weiter die Aufgabe, naturnahe Biotope und Wälder als Lebensraum für eine standortgerechte Artenvielfalt wildlebender Tiere und Pflanzen sowie regionaltypische Landschaftsstrukturen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu entwickeln. In der Landwirtschaft ist gegenwärtig noch häufig die Einstellung anzutreffen, diese Aufgabe als Selbstzweck des Naturschutzes und der Landschaftspflege anzusehen. In der Agrarwissenschaft beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, dass stabile Agrarökosysteme im Sinne einer nachhaltig umweltgerechten Landbewirtschaftung auf die Vernetzung landwirtschaftlicher Nutzflächen mit naturnahen Lebensräumen angewiesen sind, die einer artenreichen Flora und Fauna ausreichenden Lebensraum bieten. Die Sicherung, Wiederherstellung und die Entwicklung naturnaher Lebensräume im Rahmen eines vernetzten Biotopsystems sind daher Maßnahmen, die im eigenen Interesse einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Landwirtschaft liegen und daher von dieser unterstützt werden sollten.

Die Bodenordnung ist kein Instrument, mit dem auf das Intensitätsniveau der landwirtschaftlichen Nutzung Einfluss genommen werden kann. Die Einhaltung eines für die Umwelt tolerierbaren Maßes beim Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln bedarf einer entsprechenden ordnungspolitischen Rahmensetzung der EU und des Bundes.

Die Bodenordnung kann und soll dagegen die Sicherung, die Wiederherstellung bzw. die Neuanlage von naturnahen Lebensräumen unterstützen, da die Verwirklichung dieser Aufgabe in vielen Fällen einen Flächentausch und eine Bereitstellung zusätzlicher Flächen voraussetzt. Auftrag der Bodenordnung wird es künftig ebenfalls sein, in größerem Maß als bisher, durch geeignete Maßnahmen (Gestaltung der Schläge, Anlage von Gehölzen und Rainen) zu einem wirksamen Erosionsschutz beizutragen.

Durchführung des Bodenordnungsverfahrens
Abbildung links:

Für die Durchführung von Bodenordnungverfahren werden die beteiligten Grundstückseigentümer, Grundstücke und Rechte nach den Eintragungen im Grundbuch, Liegenschaften und sonstigen öffentlichen Büchern ermittelt.

Die Bodenordnung hat im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen der ökonomischen Leistungsfähigkeit einer nachhaltig umweltgerechten Landbewirtschaftung und der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie der regionalen Identität der Landschaftsstruktur in allen Verfahren künftig das Ziel der Agrarstrukturverbesserung gleichrangig mit der Aufgabe zu verbinden, Naturhaushalt und Landschaftsbild zu sichern, verlorengegangene Biotope und Strukturen wiederherzustellen sowie zu entwickeln. Mit diesem Auftrag wird deutlich, dass es bei Bodenordnungsverfahren in ausgeräumten Landschaften keineswegs mit dem Nachweis getan ist, dass z.B. die noch spärlich vorhandenen naturnahen Biotope erhalten bleiben und Eingriffe in die Landschaft, die durch die Zweitbereinigung erfolgen, ausgeglichen werden. Vielmehr geht es darum, so weit als möglich, Verluste an naturnahen Lebensräumen, die vielfach in Verbindung mit einer Erstbereinigung eingetreten sind, wieder gutzumachen. Wichtige planerische Grundlagen zur Erfüllung dieses Auftrages der Bodenordnung sind die in die regionalen Raumordnungspläne und die Flächennutzungspläne integrierten landespflegerischen Planungsbeiträge sowie die Planung vernetzter Biotopsysteme.

Die Bodenordnung wird den ökologischen Auftrag nur mit Erfolg ausführen können, wenn die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass die Landwirte und die Kommunen sowie andere Maßnahmenträger bereit sein können, diesen Weg mitzugehen. Die Agrarpolitik und die Umweltpolitik müssen in den nächsten Jahren alles tun, um die Landwirtschaft für die Einsicht zu gewinnen, dass die Schaffung ausreichend großer naturnaher Lebensräume und die Sicherung der regionalen Identität der Landschaftsstrukturen, langfristig gesehen, für sie auch von existentieller ökonomischer Bedeutung sind. Die Aussage, dass Naturschutz und Landschaftspflege nur mit der Landwirtschaft und nicht gegen sie gestaltet werden können, gilt in ganz besonderem Maße für die Durchführung der Bodenordnung, die nach dem Flurbereinigungsgesetz an den Grundsatz der Privatnützigkeit gebunden ist.