Leitlinien "Ländliche Bodenordnung" in Rheinland-Pfalz"

3. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft
In Rheinland-Pfalz werden 715.000 Hektar landwirtschaftlich genutzt, das sind 45 % der gesamten Landesfläche. Trotz der zu erwartenden Zunahme von Aufforstungen auf Grenzstandorten in den Höhengebieten, der Anlage von Waldflächen auch in bisher waldarmen Gebieten, der Bereitstellung von landwirtschaftlichen Nutzflächen für Naturschutz und Landschaftspflege sowie des Verlustes an Flächen für Siedlungszwecke wird sich der Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche insgesamt in Rheinland-Pfalz nur geringfügig ändern.

Die Landwirtschaft wird somit in Rheinland-Pfalz auch in Zukunft ein wesentliches Element der Wirtschafts- und Sozialstruktur der ländlichen Räume bleiben. Sie wird vor allem weiterhin außerhalb der Ballungsgebiete und der wenigen großen geschlossenen Waldgebiete das Bild der Landschaft entscheidend prägen.

Die ökonomische Aufgabe, zur Stärkung der Wirtschaftskraft der ländlichen Räume beizutragen, und die ökologische Aufgabe, die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie die historisch gewachsene Kulturlandschaft zu erhalten, können nur zusammen mit einer wirtschaftlich leistungsfähigen und umweltschonenden Landwirtschaft erfüllt werden, wie im Kapitel 2 definiert wurde.

Die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz befindet sich trotz großer Anpassungsbemühungen in den letzten Jahrzehnten verglichen mit anderen Regionen in der Europäischen Union, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland, in einer ungünstigen Wettbewerbslage. Die größten Wettbewerbsnachteile sind unzureichende Betriebsgrößen der Haupterwerbsbetriebe und eine kleinparzellierte Flurverfassung. Der Strukturwandel wird sich als Folge der EU-Agrarreform und des zusätzlichen Wettbewerbsdrucks durch die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern beschleunigen und bei den derzeit abzusehenden Rahmenbedingungen dazu führen, dass

  • sich in den grünlandstarken Regionen der Höhengebiete die Konzentration der Milcherzeugung auf leistungsstarke Betriebe mit mehr als 50 Kühen und Flächengrößen von 50 bis 100 Hektar LF fortsetzen wird,
  • die Flächenausstattung der Marktfruchtbaubetriebe im Oberrheingraben und den angrenzenden grünlandarmen Höhengebieten auf mehr als 100 Hektar anwachsen wird; gleichzeitig werden Nebenerwerbsbetriebe anzutreffen sein, die 20 bis 50 Hektar bewirtschaften,
  • in den Höhengebieten die Zahl der Nebenerwerbs- und Haupterwerbsbetriebe zunehmen wird, die ihre Flächen mit Hilfe von Mutterkühen, Schafen und Damwild extensiv nutzen. Vollerwerbsbetriebe, die sich auf eine extensive Grünlandnutzung spezialisieren, sind auf einen Flächenzuwachs bis zur Größenordnung von 100 - 200 ha angewiesen,
  • die Betriebe mit Feldgemüse und mit Obstbau ihre Anbauflächen vergrößern werden.
Mit dem fortschreitenden Strukturwandel wird die Diskrepanz zwi­schen rasch wachsenden Betriebsgrößen einerseits und der gleichzeitig zunehmenden Zahl nicht rationell nutzbarer Kleinparzellen die Betriebe auf dem Weg zur Wettbewerbsfähigkeit immer stärker behindern. Mit anderen Worten: Die wirtschaftlichen Möglichkeiten ausreichender Betriebsgrößen können unter den agrarpolitischen Rahmenbedingungen der EU von den Betrieben erst dann genutzt werden, wenn eine Flurverfassung geschaffen wird, die einen rationellen Arbeits- und Maschineneinsatz sowohl einzel- wie überbetrieblich ermöglicht. Von diesem Ziel ist die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu norddeutschen wie ost­deutschen Regionen noch weit entfernt.

In Rheinland-Pfalz ist zwar der weitaus größte Teil der Gemarkungen bereits einmal flurbereinigt worden. 50 % dieser Flächen wurden jedoch zu einem Zeitpunkt bereinigt, zu dem die Bodenordnung noch an den betriebswirtschaftlichen Bedingungen der Kuh- und Pferdeanspannung ausgerichtet war. In diesen Gemarkungen wurden die neuen Flurstücke mit einer durchschnittlichen Größe von 0,5 Hektar und Schlaglängen von 100 bis 150 m zugeteilt. Ab den 60er Jahren orientierte sich die Bodenordnung zwar zunehmend an der einsetzenden Mechanisierung in der Landwirtschaft, aber die damals vorherrschende Zahl der Kleinbetriebe setzte der Schaffung rationell zu bewirtschaftender Flurstücke weiterhin enge Grenzen. Die neu zugewiesenen Grundstücke blieben zumeist unter einer Größe von zwei Hektar. Zahlreiche Vollerwerbsbetriebe haben in den vergangenen Jahren vor allem durch Zupachtung von Flächen aber auch durch Flächentausch zwar ihre Grundstücke merklich vergrößern können, wegen des engmaschigen Wegenetzes konnten sie jedoch in der Regel an den unzureichenden Schlaglängen nichts ändern.

Die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz muss auf Grund der darge­legten Verhältnisse in der Außenwirtschaft vielfach 30 bis 50 % höhere Arbeits- und Maschinenkosten aufwenden, als dies in anderen Regionen des Bundesgebietes und der EU der Fall ist.

Das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit ist für die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz nur zu erreichen, wenn die strukturelle Anpassung der Betriebsgrößen durch eine Bodenordnung unterstützt wird, mit deren Hilfe rationell zu bewirtschaftende Flurstücke gebildet werden. Der Bodenordnung als Beitrag zur Schaffung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe ist daher in Rheinland-Pfalz in den kommenden Jahren weiterhin eine hohe Bedeutung einzuräumen.

Die größte Kostendegression der Arbeits- und Maschinenkosten tritt für eine ackerbauliche Nutzung bereits bei einer Ausweitung der Schlaggrößen auf fünf Hektar und gleichzeitiger Ausdehnung der Schlaglänge auf bis zu etwa 500 m ein. Für größere Vollerwerbsbetriebe ist zur Ausschöpfung der möglichen Kostendegression in der Außenwirtschaft eine noch weitergehende Arrondierung wünschenswert.

Für Vollerwerbsbetriebe mit Grünland und Weidehaltung bildet die Ausweisung von Schlägen mit einer Größenordnung von 10 Hektar und mehr vielfach die Voraussetzung für den Übergang zu einer extensiven Grünlandnutzung.

In vielen Gemeinden, in denen früher unter Ausweisung von Schlaglängen mit weniger als 200 m ein zu engmaschiges Wegenetz angelegt wurde, können betriebswirtschaftlich notwendige Schlaggrößen und Schlaglängen nur bei Aufhebung eines erheblichen Teils der bestehenden Wege verwirklicht werden.

Schlagumfang und -länge sind nicht nur eine technisch-ökonomische sondern auch eine ökologische Größe. Bei einer Wertung der ökologischen Folgen einer Schlagvergrößerung in dem o.a. angeführten Rahmen ist mit zu berücksichtigen, dass

  • die mit der Arrondierung angestrebte Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht mit einer Intensitätssteigerung zu Lasten des Naturhaushaltes einhergeht, da alle Betriebe, die des konventionellen wie die des ökologischen Landbaus unabhängig von Schlaggrößen und -form im Rahmen der weiter zu entwickelnden ordnungspolitischen Regelungen für eine umweltverträgliche Landbewirtschaftung ihre Fruchtfolge, die Düngung, den Pflanzenschutz und die Bodenbearbeitung so umweltschonend zu gestalten haben, dass die Ressourcen Boden, Wasser und Luft in ausreichendem Maße geschützt werden,
  • die Bewirtschaftung kleiner und ungünstig geformter Flurstücke erfahrungsgemäß einen überhöhten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und Energie sowie beträchtliche Bodenverdichtungen im Bereich der Vorgewende bedingen kann,
  • sich zwischen aneinandergrenzenden Schlägen in ausschließlich ackerbaulich genutzten Gemarkungen sehr häufig keine Vernetzungsstrukturen befinden, so dass die Bildung größerer Schläge nicht zum Verlust von Biotopflächen führen muß.
  • größere Schläge bessere Möglichkeiten als kleine für eine Einsparung von Arbeitsgängen durch Gerätekombination und große Arbeitsbreiten sowie des Einsatzes von Spezialmaschinen für eine Minimalbodenbearbeitung bieten, so dass sowohl Bodenverdichtungen verringert wie das Bodenleben geschont werden können.
Die Gestaltung der Schlaggrößen und -längen ist im Einzelfall den regionalen agrarstrukturellen und ökologischen Gegebenheiten anzupassen.

Bewertungsergebnisse
Abbildung links:

Die Ergebnisse der Bewertung von Boden und Landschaft stellen wichtige Grundlagen für die Neugestaltung der Verfahrengebiete dar.




Einer wirtschaftlichen Optimierung von Schlaggrößen und -längen sind insbesondere Grenzen gesetzt, wenn
  • es sich um durch Wassererosion gefährdete Flächen handelt, die auch künftig weiterhin ackerbaulich genutzt werden sollen,
  • wertvolle Lebensräume oder Vernetzungsstrukturen verloren gingen, für die gleichwertig keine neuen miteinander vernetzte Biotopflächen entwickelt werden können,
  • das Landschaftsbild oder klimatische Erfordernisse in einem Maß beeinträchtigt würden, das nicht mehr ausgeglichen werden kann.
Ziel der Bodenordnung muss es künftig grundsätzlich sein, die Anpassung der Flurver­fas­sung an die Anforderungen einer leistungsfähigen Landwirtschaft im Gesamtergebnis mit einer Verbesserung der ökologischen und landschaftsästhetischen (Landschaftsbild) Verhältnisse gegenüber der Ausgangssituation zu verbinden. Die ökologische Verfahrensbilanz muß positiv sein. Dieses Ziel gilt es insbesondere, in "ausgeräumten Landschaften" zu verwirklichen, in denen es bei der Zweitbereinigung darum geht, in ausreichendem Umfange verlorengegangene naturnahe Lebensräume wiederherzustellen oder an neuen Standorten auszuweisen und zu entwickeln. Die aus Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege dabei einzuhaltenden Grundsätze sind in Kapitel 5 dargelegt.

Mit einer Bodenordnung, die sich auf eine Änderung der eigentumsrechtlichen Verhältnisse beschränken würde, sind die vorgenannten Ziele für eine Anpassung der Flurverfassung nicht zu verwirklichen. Der Pachtanteil in den größeren Vollerwerbsbetrieben beträgt inzwischen 60 bis 80 % der insgesamt bewirtschafteten Flächen. Eine befriedigende Bodenordnung ist daher nur durch Integration der Pachtflächen in die Arrondierung zu erreichen. Als Instrument für die Gewinnung der Verpächter, konstruktiv an der Zusammenfassung von Eigentums- und Pachtflächen zur wirksamen Arrondierung mitzuwirken, ist das Instrument des Landtausch- und Pachtförderungsprogramms geschaffen worden, das ausschließlich aus Mitteln des Landes finanziert wird. Die Mittel werden eingesetzt, um rationelle Bewirtschaftungseinheiten durch Gewährung von Verpachtungsprämien und die Übernahme der Eigenleistung in Bodenordnungsverfahren bilden zu können. Die Erfahrungen zeigen, dass die Bildung rationeller Bewirtschaftungseinheiten häufig die Voraussetzung dafür ist, wertvolle Biotopflächen wie z.B. Bachauen offen zu halten und extensiv zu nutzen. Ohne den Einsatz dieses Förderungsprogramms ist bei dem sehr hohen Pachtanteil der Vollerwerbsbetriebe in Rheinland-Pfalz eine wirtschaftlich befriedigende Bodenordnung nicht denkbar.

Die Reform der EU-Agrarpolitik und die Entwicklung der Agrarstruktur in den ostdeutschen Bundesländern setzen die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz unter einen verstärkten Wettbewerbsdruck. Die Anpassung der Flurverfassung zur Verbesserung der Wettbewerbslage der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft kann nicht auf lange Zeiträume verschoben werden. Die Bodenordnung kann nur in dem notwendigen Maß helfen, wenn sie schnell hilft (s.Kapitel 8). Mit Verfahrenszeiten von fünf Jahren und mehr zwischen Einleitung der Bodenordnung und dem Besitzübergang ist der agrarstrukturelle Auftrag der Bodenordnung nicht mehr zu erfüllen.

Notwendig ist daher:

  • die Einräumung eines absoluten Vorrangs für schnellwirkende Maßnahmen der Bodenordnung, wie insbesondere des beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens und des freiwilligen Landtauschs,
  • die Verkürzung der Verfahrenszeiten für alle Verfahrensarten, so dass in Verfahren ohne Wege- und Gewässerplan der Besitzübergang zwei bis maximal drei Jahre nach Anordnung des Verfahrens erfolgen kann,
  • die verstärkte Unterstützung der Kulturämter durch Helfer, die für den freiwilligen Landtausch eingesetzt werden.