Leitlinien "Ländliche Bodenordnung" in Rheinland-Pfalz"

8. Weiterentwicklung der Ländlichen Bodenordnung zu einem leistungsfähigen Instrument des integrierten Flächenmanagements
Die Verfahrensdauer der Bodenordnungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz hat sich im Lauf der vergangenen 30 Jahre erheblich verlängert. Hauptursachen sind die durch die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen gestiegene Planungsdauer und -intensität, Verzögerungen durch Einflüsse von Fremdplanungen, intensivere Gespräche und Arbeitsvorgänge zur Neueinteilung des Grundbesitzes, erhöhte Ansprüche an die Qualität aller technischen Unterlagen sowie erhebliche Verzögerungen durch Wartezeiten, Zustimmungsvorbehalte, zusätzliche Termine, umfassendere Abstimmungsverfahren und größere Bürgernähe.

Die Kunden der Landeskulturverwaltung (Eigentümer, Inhaber landwirtschaftlicher Unternehmen, andere Behörden und Träger infrastruktureller Vorhaben) sind insbesondere wegen der langen Dauer der Verfahren äußerst unzufrieden. Die Verfahrensdauer ist daher deutlich herabzusetzen. In Zukunft kann die Bodenordnung aufgrund der vielfach dargelegten Gründe nur dann wirkungsvoll helfen, wenn sie schnell, gezielt und nachfrageorientiert hilft.

Die Landeskulturverwaltung muss in den kommenden Jahren alle rechtlichen, planerischen, technischen und organisatorischen Möglichkeiten zur Beschleunigung, Vereinfachung und Verbesserung der Verfahrensabläufe ausschöpfen. Dabei ist die Verkürzung der Zeitabläufe so auszugestalten, dass gleichzeitig die Qualität der Arbeitsergebnisse gewahrt und auch die Gesamteffizienz der Verwaltungsleistung gesteigert wird.



8.1 Wahl der Verfahrensarten
Die größte Bedeutung hat bei der Verkürzung der Dauer der Bodenordnungsverfahren die richtige Wahl der Verfahrensart. Für diese Entscheidung gibt es aber kein allgemeingültiges Konzept. Vielmehr ist aus dem Instrumentarium des Flurbereinigungsgesetzes diejenige Verfahrensart auszuwählen, mit der die im konkreten Einzelfall angestrebten Ziele möglichst einfach, schnell und kostengünstig zu erreichen sind.
Beschleunigte Zusammenlegungsverfahren nach § 91 FlurbG sind im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten in Zukunft immer dann anzuwenden, wenn die Anlage eines neuen Wegenetzes und umfangreiche wasserwirtschaftliche oder sonstige Maßnahmen nicht erforderlich sind. Diese Verfahrensart ist bevorzugt für bereits früher bereinigte Gebiete geeignet.

Vereinfachte Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG stellen eine Möglichkeit zur Beschleunigung der Flurbereinigung dar, auf die bei Verfahren mit begrenztem Neuordnungsumfang immer dann zurückzugreifen ist, wenn es die gesetzlichen Bestimmungen nicht zulassen (z.B. Anordnungszweck nach § 91 FlurbG, notwendige Wegebaumaßnahmen mit Planfeststellung), für die Bodenordnung ein beschleunigtes Zusammenlegungsverfahren anzuordnen.

Verfahren mit umfassender Zielsetzung (Flurbereinigungsverfahren nach §§ 1, 37 FlurbG) sind sehr zeit- und arbeitsaufwendig. Sie sind daher in Zukunft nur noch dann einzusetzen, wenn kein systematisches Wegenetz vorhanden ist, dieses aber benötigt wird, größere wasserwirtschaftliche oder landespflegerische Maßnahmen notwendig werden und demzufolge die vielfältigen Neuordnungsmaßnahmen in einem planfestzustellenden "Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischen Begleitplan" festzulegen sind.

Der Freiwillige Landtausch unterscheidet sich von allen anderen Verfahren behördlich geleiteter Bodenordnung durch das "Prinzip der Freiwilligkeit". Können Grundstückstausche und Folgemaßnahmen im vollständigen Einvernehmen aller Tauschpartner gelöst werden, so ist grundsätzlich der Freiwillige Landtausch als schnellste und einfachste Bodenordnungsmaßnahme - ggf. als Land- und Pachttausch - die richtige Verfahrensart.

Die Unternehmensverfahren nach § 87 FlurbG sind - im Rahmen der gesetzlichen Schranken - immer dann anzuordnen, wenn der Landverlust bei Großbaumaßnahmen der Infrastruktur auf viele Eigentümer anteilig verteilt oder Nachteile für die Landeskultur vermieden werden sollen.

Sofern umfassende Zielsetzungen in großen Verfahrensgebieten die Wahl einer komplexeren Verfahrensart notwendig erscheinen lassen, ist stets zu prüfen, ob die Verfahrensgebiete verkleinert oder das Verfahren in Teilprojekten - ggf. als Kombination der vorgenannten Verfahrensarten (z.B. als Kombination einer Dorfflurbereinigung nach § 86 FlurbG mit einer Zweitbereinigung der landwirtschaftlichen Nutzflächen nach § 91 FlurbG) - bearbeitet werden kann.



Neue Grundstücke werden gestaltet
Zuteilung der neuen gleichwertigen Grundstücke
In einem schwierigen Abwägungsprozeß werden auf der Grundlage des Altbesitzes und der Zuteilungswünsche für jeden Einzelnen die neuen Grundstücke gestaltet. Diese Treuhandaufgabe ist der zentrale Entscheidungsvorgang im Ländlichen Bodenordnungsverfahren.
Die Zuteilung der neuen Grundstücke muß wertgleich zu den Altgrundstücken vorgenommen werden. Bei dieser Zuteilung sind auch Rechte und besondere Grundstücksbestandteile auf die neuen Grundstücke zu übertragen bzw. zu entschädigen.




8.2 Zeit- und sachgerechte Einleitung neuer Verfahren    
Für die aktuellen durchschnittlichen Laufzeiten der Bodenordnungsverfahren sind folgende Zeiten ermittelt worden.

Verfahrensart
bis Besitzübergang
bis Schlußfeststellung
Verfahren nach §1
7 Jahre
16,5 Jahre
Verfahren nach § 86 FlurbG
5 Jahre
14,4 Jahre
Verfahren nach § 87 FlurbG
5 Jahre
  8,0 Jahre
Verfahren nach § 91 FlurbG
4 Jahre
10,0 Jahre

Die Dauer der Verfahren von der Anordnung bis zum Besitzübergang muss bei allen Verfahrensarten um etwa 2 Jahre heruntergesetzt werden. Durch diese Beschleunigung und Laufzeitverkürzungen bei den Arbeiten zur Berichtigung der öffentlichen Bücher (Grundbuch, Liegenschaftskataster) ist auch die Gesamtdauer der Verfahren um mehr als zwei Jahre herunterzusetzen. Neben den nachstehend unter Nr. 3 bis 10 beschriebenen Veränderungen und der Auswahl der jeweils einfachsten Verfahrensart sind in Zukunft bei der Einleitung neuer Verfahren folgende Grundsätze zu beachten:

  • Zeitgerechte Anordnung schnellwirkender Verfahren, damit keine Wartezeiten zwischen Anordnung und Beginn der eigentlichen Bearbeitung entstehen,
  • Beschränkungen der Neuordnung auf maßnahmebezogene Teilbereiche (z.B. Erfüllung von Teilaufgaben, Zusammenlegung ganzer Grundstücke, Verzicht auf Ausbaumaßnahmen, Bildung rationeller Bewirtschaftungseinheiten),
  • Verstärkte Anwendung von Verfahrenskombinationen (z.B. be­schleunigtes Zusammenlegungsverfahren/Bildung rationeller Bewirtschaftungseinheiten/Erwerb von Grundstücken/Pachttausch) und
  • Kombination der Bodenordnung mit Förderprogrammen der Landwirtschaft, des Weinbaus und der Landespflege, der Wasserwirtschaft und der Strukturförderung, um einen optimalen Gesamtwirkungsgrad des Maßnahmebündels im Rahmen der für das Bodenordnungsprogramm von den Fachplanungen vorgesehenen Fördermittel zu erreichen.


8.3 Delegation von Aufgaben
Bei verschiedenen Aufgaben, die das Flurbereinigungsgesetz der oberen Flurbereinigungsbehörde zuweist, sind bei der praktischen Erledigung sowohl die obere Flurbereinigungsbehörde (Bezirksregierung) als auch die Flurbereinigungsbehörde (Kulturamt) beteiligt. Hierdurch entstehen Transport- und Wartezeiten sowie zusätzlicher Prüfungs- und Bearbeitungsaufwand.

Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) werden bestimmte Befugnisse bei der Anordnung und Ein­stellung der Flurbereinigung, bei der Einstellung des beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens, bei der Änderung/Teilung von Verfahrensgebieten und für Festsetzungen in Verfahren nach § 87 FlurbG von der Bezirksregierung auf die Kulturämter übertragen. Insbesondere können damit neue Verfahren der Bodenordnung zügiger eingeleitet werden.

Leitprinzip muss es sein, die Verantwortungsbereiche der Kulturämter weiter zu stärken. Die Konzentration der von den Kulturämtern wahrgenommenen finanzierungs- und bautechnischen Aufgaben der Teilnehmergemeinschaften in Verbänden der Teilnehmergemeinschaften ist zu prüfen.

8.4 Wegfall von Vorbehaltsregelungen der Aufsichtsbehörden
Im Vollzug der Dienst- und Fachaufsicht sind in der Vergangenheit für alle Bodenordnungsverfahren Überwachungsmechanismen der oberen und obersten Flurbereinigungsbehörden eingeführt worden, die sich als organisatorische, rechtliche, planerische und haushaltsrechtliche Vorbehaltsregelungen deutlich bremsend auf die zeitliche Abfolge der Arbeitsabläufe in der Bodenordnung auswirken.

Durch Einbeziehung dieser Entscheidungsvorgänge in die jährlich stattfindenden Geschäftsbesprechungen mit den Kulturämtern, bzw. teilweise auch durch vollständigen Wegfall der Vorbehalte, können die meisten Vorbehaltsregelungen aufgehoben und damit Wartezeiten sowie Verwaltungsaufwand bei allen Verwaltungsebenen eingespart werden.

Moderne Meßmethoden zur Sicherung der Grundstücksgrenzen
Abbildung links:

Um den Grundstückseigentümern die Grenzen der neuen Grundstücke in der Örtlichkeit anzeigen zu können, sowie zur dauerhaften Sicherung mit Grenzmarken, werden Grenzen in die Örtlichkeit übertragen.
Dies geschieht mit modernsten Meßmethoden.

 


8.5 Zusammenfassen von Terminen und Abstimmungsverfahren
Für die Abstimmung komplexer Regelungsbereiche (z.B. infrastrukturelle Maßnahmen, Umweltverträglichkeit) sind in den Verfahrensablauf der Bodenordnung in den vergangenen Jahren viele zusätzliche Abstimmungsverfahren (Behördentermine, schriftliche Beteiligungen, Benachrichtigungen, Veröffentlichungen) eingeführt worden. So sind heute zum Beispiel bei einem einfachen Zweitflurbereinigungsverfahren mit kleineren Ausbaumaßnahmen die untere Landespflegebehörde und die Wasserwirtschaftsverwaltung in kurzer zeitlicher Abfolge je 6 mal zu Verhandlungsterminen einzuladen. Bei Planänderungen und einer Umweltverträglichkeitsstudie kommen weitere Termine hinzu.

Die Anzahl dieser Behördentermine, schriftlichen Beteiligungen und Benachrichtigungen ist auf der Grundlage der gesetzlichen Möglichkeiten im Sinne einer Verfahrensprozessbündelung des Bodenordnungsablaufes auf das unumgängliche Minimum zurückzuführen.


8.6 Erneuerung der Bodenordnungsabläufe
Der Bodenordnungsablauf ist vor allem durch sehr große Datenmengen geprägt, die derzeit noch in über 80 verschiedenartigen Registern, Listen und Fehlerprotokollen sowie in über 35 verschiedenartigen Karten bearbeitet werden müssen. Aufgrund der großen Datenmengen und der zur Bearbeitung gehörenden komplizierten Rechen-, Sortier-, Druck- und Zeichenvorgänge konnten aus Wirtschaftlichkeitsgründen in der Vergangenheit geeignete Datenverarbeitungsanlagen nur zentral vorgehalten werden.

Allein für die Grundbuch- und Katastervorgänge im alten und neuen Bestand eines Bodenordnungsverfahrens sind derzeit etwa 42 Register, Kontroll- und Fehlerlisten zu erstellen.

Die unwirtschaftliche, durch Warte- und Transportzeiten geprägte, teilweise manuelle (fehleranfällige) Verfahrensbearbeitung ist auf der Grundlage einer neuen technischen Ausstattung der Landeskulturverwaltung im Vollzug des Automationsprojektes WEDAL (= Weiterentwicklung der Automation in der Landeskulturverwaltung Rheinland-Pfalz) vollkommen neu zu gestalten. Durch die hierin enthaltenen, miteinander verknüpften Teilprojekte (z.B. Registerdateninformationssystem (REDAS)) können zum Beispiel über die Hälfte der oben angesprochenen Register ganz abgeschafft werden.

Die Arbeitsreihenfolge ist im Hinblick auf Beschleunigungen und Vereinfachungen sowie den Wegfall von Doppelbearbeitungen und Doppelkontrollen neu zu gestalten. Der in kleine Arbeitseinheiten mit teilweise unterschiedlichen Bearbeitern zerlegte Prozessablauf ist im Rahmen von Qualifizierungsmodellen schrittweise zu ganzheitlichen Arbeitsplätzen umzugestalten.



8.7 Verbesserung der Kommunikationswege
Bei einer Bodenordnung mit Planfeststellung nach § 41 Flurbereinigungsgesetz arbeiten regelmäßig bis zu 20 unterschiedliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Teilprojekten des Verfahrens. Da viele Informationen nur auf Papier in Aktenordnern festgehalten sind, sind die meisten Arbeiten, für die Informationen benötigt werden, sequentiell strukturiert. Mehrfache Datenhaltung gleicher Daten in unterschiedlichen Registern und Akten, Abgleiche zwischen manuell und automatisiert geführten Daten, Fehlersuchen und -bereinigungen sind die Folge.
Als datenbankorientierte ganzheitliche Kommunikationslösung mit Wegfall der Aktentransporte als prozeduralem Arbeitsfortschritt sind ganzheitliche Arbeitsplätze einzurichten, bei denen an jedem betroffenen Arbeitsplatz die Register, digitalen Karten, Planungs- und Vermessungsdaten und Hilfsmittel der Bürokommunikation zur Verfügung stehen.



8.8 Zurückführen von Kontrollen in die Arbeitsabläufe
Durch den komplexen Planungsauftrag und die sehr großen Datenmengen sind viele Fehlerursachen vorhanden, denen derzeit durch verschiedenartigste Kontrollen entgegengetreten wird. Da Grundbuch und Kataster nach Abschluss der Bodenordnung völlig fehlerfrei sein müssen ("öffentliche Bücher"), kann die Ergebnisqualität der Arbeit meist nicht heruntergesetzt werden.
In Teilbereichen der Bodenordnungsverfahren haben sich in den Arbeitsablauf integrierte Kontrollen sehr bewährt. Es sind daher alle Anstrengungen zu unternehmen, weitere Kontrollen unmittelbar in die Arbeitsabläufe einzubinden, um Fehlerberichtigungen einzusparen und die Bodenordnungsverfahren zu beschleunigen.



8.9 Vermeidung von Arbeitsüberhängen nach der Ausführungsanordnung
In Verfahren nach der Ausführungsanordnung sind die Kulturämter katasterführende Stellen. Die hiermit verbundenen Arbeiten müssen in Zeitaufwand und Bearbeitungsumfang minimiert werden, soweit dieses vom gesetzlichen Auftrag und der technischen Arbeitsweise her möglich ist.

Es ist daher in Zukunft in allen Verfahren anzustreben, die Berichtigung des Grundbuchs und des Katasterbuchwerkes so früh wie möglich vorzunehmen, um die von außen veranlassten Änderungen auf ein Minimum zu begrenzen und das Anwachsen neuer "Altlasten" bei der Bodenordnung zu vermeiden.



8.10 Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung in der Landeskulturverwaltung
Die praktizierte Ausbildung orientiert sich vornehmlich an bestehenden Arbeitsabläufen. Mit dem Lernmuster "Lernen durch Wiederholen" und "Lernen durch Nachahmen" können neue Impulse nicht frühzeitig genug vermittelt werden. Die Prüfungsordnungen sind daher zu ändern und ein Teil der Ausbildungsabläufe ist bewusst als kreativer Prozess von Lernenden und Ausbildern zu nutzen.
Kreative Überlegungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem unmittelbaren Arbeitsprozess sind in Fortbildungsveranstaltungen einzubringen, zu diskutieren und als "nutzoptimierende Ideen" für die Vereinfachung, Beschleunigung und Verbesserung der Verfahrensabläufe zu gewinnen.
Auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Managementtechniken sind verstärkt bei der Ausbildung zu vermitteln.
Bei der Einführung neuer Datenverarbeitungsgeräte und -programme ist eine umfassende und qualifizierte Fortbildung aller jeweils betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, um eine weitere Steigerung der Motivation und Arbeitsfreude zu erzielen. Im Hinblick auf eine stärkere ökologische Orientierung der Bodenordnung werden landespflegerische Themen verstärkt zum Inhalt von Fortbildungsveranstaltungen gemacht.