Im Interview: Nachhaltige Verpflegung in der Kita Himmelfeld Montabaur

Stand: 04/14/2022
Kita Himmelfeld Montabaur
Kita Himmelfeld Montabaur
Die kommunale KITA Himmelfeld ist eine fünfgruppige Kindertagesstätte unter der Trägerschaft der Stadt Montabaur. Die Kindertagesstätte liegt im Wohngebiet Himmelfeld, am Stadtrand von Montabaur. Die Kita bietet Platz für 110 Kinder, 76 Plätze für Kinder im Alter von 3-6 Jahren und 24 Plätze für Kinder zwischen 2-3 Jahren. Darüber hinaus können 10 Kinder in der Krippengruppe aufgenommen werden. Das Platzangebot umfasst insgesamt 84 Ganztagsplätze und 10 Krippenplätze mit dem Angebot der Vollverpflegung (vom Frühstück bis zum Nachmittagssnack) sowie 16 Teilzeitplätze.


Das Fachzentrum Ernährung Rheinland-Pfalz konnte ein Interview mit der Einrichtungsleiterin und der Verpflegungsverantwortlichen der Einrichtung führen. Wir stellen Ihnen die Kita Himmelfeld gerne als Gutes Praxisbeispiel vor. Zusätzliche Informationen finden Sie jeweils in den Infokästen.

Das Verpflegungskonzept als Instrument der Qualitätssicherung: Schon einige Kitas in Rheinland-Pfalz, die sich dem Thema Verpflegung in der Einrichtung besonders widmen, haben für sich ein sogenanntes Verpflegungskonzept entwickelt. In diesem Verpflegungskonzept werden kitaspezifische Aspekte der Kitaverpflegung festgelegt, die von allen Akteuren mitgetragen werden und sich an den örtlichen Gegebenheiten orientieren. Alle Mitarbeiter sowie Interessierte können sich informieren, welche Qualitätsanforderungen für die Kita gelten und wer, wann, wo und wie tätig wird. Das Verpflegungskonzept erhöht den Stellenwert der Ernährung zusätzlich und hilft eine gleichbleibend hohe Qualität der Verpflegung zu gewährleisten.

Bitte beschreiben Sie kurz das Verpflegungskonzept in Ihrer Einrichtung

Die Kita Himmelfeld hat im September 2018 die Qualifizierung zur 3-Sterne-Ernährungs-Kita erhalten. Hintergrund ist eine qualitätsgesicherte Verpflegung im Kita-Alltag. Zubereitet werden die Speisen täglich frisch mit einem großen Anteil an ökologisch erzeugten Lebensmitteln und nach den Vorgaben der DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder. Darüber hinaus wird auf die besonderen Bedarfe der unter 3-jährigen Kinder bei der Speiseplangestaltung, Lebensmittelauswahl und Zubereitungsart geachtet. Ebenso werden selbstverständlich individuelle Gegebenheiten z.B. Lebensmittelunverträglichkeiten und kulturelle bzw. religiöse Aspekte berücksichtigt. Ernährungsbildung beinhaltet für uns die Ess- und Tischkultur (vor)leben, Werte vermitteln und Ressourcen achten, die Partizipation der Kinder zulassen und eine Sensibilisierung für nachhaltiges und prosoziales Verhalten und Handeln bei den Kindern zu erreichen.

Warum setzen Sie Bio-Lebensmittel in der Verpflegung in Ihrer Einrichtung ein? Woher kam der Wunsch nach Bio in der Verpflegung?

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass Kinder immer früher und mit einer verlängerten Betreuungszeit eine Kindertagesstätte besuchen. Das heißt auch, dass die Kinder mindestens zwei der 5 empfohlenen, täglichen Mahlzeiten in der Kindertagesstätte einnehmen. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Weichen für eine gesunde Ernährung möglichst früh gestellt werden.
Besonders in den ersten Lebensjahren bilden sich Ernährungsgewohnheiten, die prägend für die weitere Entwicklung der Essgewohnheiten sind. Hierbei ist es uns wichtig, dass Nahrungsmittel möglichst ohne Geschmacksverstärker hergestellt werden. Hier bieten Bio-Produkte den Vorteil, dass sie aufgrund ihres ökologischen Anbaus und der geringen Verarbeitung ihren Eigengeschmack behalten. Bereits seit 2014 werden alle Mahlzeiten, vom Frühstück bis zum Nachmittagssnack, in der Kita Himmelfeld täglich frisch zubereitet. Für die Gestaltung der Speisepläne ist uns besonders wichtig, eine nährstoffreiche, schadstoffarme und nachhaltige Lebensmittelauswahl zu treffen. Der Einsatz von Bio-Lebensmitteln gewährleistet eine umweltschonende Herstellung der Produkte, ohne chemischen Pflanzenschutz und Düngemitteln sowie eine artgerechte Tierhaltung. Durch die Verwendung von saisonalen und regionalen Bio-Produkten werden die Erzeuger aus der Region unterstützt ebenso werden weite Transportwege vermieden.


Die Gründe für den Einsatz von Bio-Lebensmitteln sind vielfältig: Neben der Vielzahl an Umweltleistungen des ökologischen Landbaus, wie dem Verzicht auf chemisch, synthetische Pflanzenschutzmittel und leichtlösliche Stickstoffdünger, dem Schutz des Grundwassers und der Artenvielfalt, bieten Bio-Lebensmittel weitere Vorteile. So ist z.B. bei der Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln nur eine geringe Anzahl unverzichtbarer Zusatz- und Konservierungsstoffe erlaubt. Die Verwendung genetisch veränderter Mikroorganismen ist verboten, auf und in Bio-Lebensmitteln finden sich weniger Pflanzenschutzmittel-Rückstände und es gelten höher Tierschutzstandards.
Welche Lebensmittel werden zurzeit in Bio-Qualität angeboten. Worauf achten Sie dabei?

Die Lebensmittel werden bei ausgewählten und zertifizierten Betrieben bestellt. Dazu zählen regionale Bio-Bauernhöfe, Fleischerei-, Bäcker- und Getränke-Lieferanten. Einzelne Produkte werden direkt frisch auf dem Wochenmarkt oder regionalen Unternehmen eingekauft, z.B. Geflügel und frischer Fisch. In Bio-Qualität werden des weiteren Obst und Gemüse, alle Milchprodukte, Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, Salz, Gewürze, Knäckebrot und Müsli, verschiedene Brühen, verschiedene Essig und Öle, Konserven, Marmelade, Honig, Hülsenfrüchte, passierte Tomaten, Puddingpulver und Eier angeboten. Dabei achten wir auf die Auszeichnung entsprechender Siegel nach der EG-Öko-Verordnung.


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Preisunterschiede geschickt ausgleichen: Vergleicht man die Preise verschiedener Lebensmittel, u.a. solcher aus konventioneller und Bio-Landwirtschaft miteinander so kann man deutliche Unterschiede erkennen. Zwar gibt es einzelne Lebensmittel, die in Bio-Qualität günstiger zu beschaffen sind, allerdings ist dies die Ausnahme. Höhere Umwelt- und Tierhaltungsstandards, Verzicht auf Zusatz- und Verarbeitungsstoffe sowie häufig kleinere Produktionsmengen schlagen sich natürlich in Verkaufspreisen nieder. Bio-Quoten von bis zu ca. 20% können durch den Austausch von Lebensmitteln mit nur geringem Preisabstand zu konventionellen Lebensmitteln, erreicht werden. Hierzu werden häufig Hülsenfrüchte, Getreideprodukte wie auch deutsches Obst und Gemüse in Bio-Qualität eingekauft. Sollen höhere Bio-Quoten erreicht werden oder insgesamt ein nachhaltiges Speisenangebot gemacht werden sind weitere Maßnahmenbündel möglich. So können beispielsweise verstärkt vegetarische Speisen, entsprechend der Saison angeboten werden, wie es die DGE-Qualitätsstandards empfehlen. Bietet man 3 ovo-lacto-vegetarische Speisen, einmal Fisch und einmal Fleisch oder Wurstwaren macht man gleichzeitig ein nachhaltigeres und gesundheitsförderliches Angebot und steigert die Wirtschaftlichkeit der Verpflegung mit Bio-Lebensmitteln. Ebenso können die Reduktion von Lebensmittelabfällen und der regionale Einkauf ein Hebel sein.

Bitte beschreiben Sie die Speisenplanung in Ihrer Einrichtung. Arbeiten Sie in einer Frisch- oder Mischküche? Was ist hinsichtlich des Einsatzes von Bio-Lebensmitteln bei der Zubereitung zu beachten?

Die Speisenplanung orientiert sich am „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas“ sowie an der saisonalen Verfügbarkeit der Lebensmittel. Hierbei wird auf überwiegend pflanzliche Nahrungsmittel geachtet, maximal 1x in der Woche gibt es ein Fleischgericht und maximal 2x pro Woche ein Dessert. Die Auswahl der Gerichte wird an die Entwicklung der Kinder und an deren individuellen Gegebenheiten (Lebensmittelunverträglichkeiten oder kulturelle/religiöse Vorgaben) angepasst. Berücksichtigt werden ebenso die Wünsche der Kinder und des pädagogischen Fachpersonals. Jedes Kind darf sich zum Geburtstag ein Wunsch-Menü zusammenstellen. Dieses wird in der Regel als Geburtstagsbüffet angeboten. Neue Rezepte werden durch Abfragen nach Geschmack und Aussehen bewertet und im Anschluss ggf. verfeinert oder verworfen. Alle Speisen werden täglich frisch zubereitet und schnellstmöglich, nach der erreichten Garzeit, an die Kinder ausgegeben. Bei der Verwendung von Bio-Lebensmitteln wird auf eine schonende Zubereitung zur Erhaltung von Vitaminen und wertvollen Inhaltsstoffen geachtet. Ebenso achten wir auf regionale und saisonale Produkte, auf Siegel und auf Auszeichnung.

Was sagen die Eltern zum Bio-Einsatz? Inwiefern spielen Elternwünsche eine Rolle? Gab es Zweifel?

Mit der Zertifizierung zur 3-Sterne-Ernährungs-Kita wurde der „runde Tisch“ in der Kita Himmelfeld implementiert. Die Teilnehmer können Eltern, päd. Fachkräfte, Hauswirtschaftskräfte und Trägervertreter sein. Alle Teilnehmer kommen mindestens einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Probeessen in der Kita zusammen. Währenddessen werden die angebotenen Speisen nach Aussehen, Konsistenz und Geschmack bewertet. Anhand der Auswertungen können wir feststellen, dass die Eltern Wert auf eine qualitativ hochwertige und gesunde Ernährung ihrer Kinder legen. Positiv für unsere Eltern ist, dass ausreichend Obst, Gemüse und Ballaststoffe im Speiseplan aufgeführt werden, dafür wenig Fleisch und Fisch und kaum Zucker und Salz. Ein weiterer positiver Punkt ist die Zubereitung in der Frischkostküche direkt im Haus. Den Eltern ist es wichtig, dass die Mahlzeiten ihrer Kinder möglichst schonend und vitaminreich zubereitet werden und die Speisen keine langen Anfahrtswege hinter sich haben. Wünsche der Eltern finden ihre Berücksichtigung. Mit dem einheitlichen Verpflegungskonzept für alle kommunalen Kitas der Stadt Montabaur wurde gleichzeitig das Formular „Speisenangebot mit besonderen Anforderungen“ erstellt. Hier werden gesundheitliche Einschränkungen sowie kulturelle und religiöse Besonderheiten des Kindes angemeldet und in der Speisenplanung berücksichtigt.

Kind haelt Peperoni
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Thematisieren Sie Ernährung mit den Kindern in der Kita?

Das Verpflegungskonzept der Kita Himmelfeld ist ein Teil der pädagogischen Konzeption der Einrichtung. Dabei werden die Krippen-Kinder getrennt von den über zweijährigen Kindern betrachtet. Wir legen sehr großen Wert darauf, die Kinder bei allen Mahlzeiten zu begleiten. Die Partizipation der Kinder steht dabei im Vordergrund. Wir sehen die Mahlzeiten als Bildungsort und Interaktionsanlass an. Dazu zählen auch haptische Erfahrungen, die durch das Ertasten und Greifen der Lebensmittel gefördert werden. Hinzu kommt, dass insbesondere bei den unter 3-Jährigen unterschiedliche Teller, Tassen und Bestecke angeboten werden, um den Kindern ein möglichst hohes Maß an Partizipation und Eigenständigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus werden regelmäßig Themen zur gesunden Ernährung im pädagogischen Alltag mit den Kindern geplant und durchgeführt. Zur Veranschaulichung wird vor allem die Ernährungspyramide besprochen und nachgestellt.

Ernährung als Bildungsthema in der Kita: Die wichtigsten Grundlagen für das spätere Ess- und Ernährungsverhalten werden bereits in der Kindheit gelegt. Mit der Ausweitung der Betreuungszeiten und Zahl der Kita-Plätze nehmen immer mehr Kinder mehrere Mahlzeiten in den Einrichtungen ein. Sowohl die Einnahme der Mahlzeiten als auch das vor- und nachbereiten der Mahlzeiten sind Bildungsorte des umfassenden Bildungsbereichs „Ernährung“ sein. Aber auch die Ernährung als Bildungsthema, mit Fragestellungen wie „wo kommt mein Essen her? Wie wird es zubereitet und wer muss alles dafür arbeiten?“ kann zu einer höheren Wertschätzung der Lebensmittel beitragen und Kindern einen Einblick in verschiedene Lebenswellten ermöglichen

Wie wird in Ihrer Einrichtung die Qualitätssicherung gewährleistet? Gibt es z.B. regelmäßig Zufriedenheitsbefragungen, Probeessen, kontrollieren Sie Lieferscheine und Bio-Zertifikate Ihrer Lieferanten?

Für die Gewährleistung der Qualitätssicherung ist in allen kommunalen Kitas der Stadt Montabaur ein/e Verpflegungsbeauftragter/e benannt. Dieser koordiniert die Kommunikation zwischen allen Beteiligten mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung des Verpflegungsangebotes. „Der Verpflegungsbeauftragte steuert auch die interne Qualitätssicherung, z.B. Speiseplan-Check, Probeessen, Befragungen, Beschwerdemanagement, Entwicklung des Verpflegungskonzeptes. Er ist Ansprechpartner für Maßnahmen der externen Qualitätssicherung, z.B. Qualifizierungsprozess, DGE-Zertifizierung. Gemeinsam mit dem Runden Tisch werden verpflegungsbezogene Maßnahmen geplant, umgesetzt und dokumentiert.“ Der Runde Tisch kommt einmal jährlich zusammen. Die Evaluationsbögen werden ausgewertet und dokumentiert. Weitere regelmäßige Probeessen finden mit Kindern und Erziehern statt. Dabei bewerten die Erwachsenen das Essen nach Aussehen, Konsistenz und Geschmack. Die Kinder erhalten einen Bilderbogen. Des Weiteren nehmen alle Hauswirtschaftskräfte an regelmäßigen Fortbildungen zur Kita-Verpflegung und zur Hygieneschulung teil.

Welche Tipps können Sie anderen Einrichtungen geben, die Bio-Lebensmittel verwenden möchten?

Gesunde Ernährung sollte für jede Einrichtung ein Selbstverständnis sein. Der Einsatz von Bio-Lebensmitteln trägt dazu bei, allen Beteiligten des Verpflegungs-Konzeptes einen Weg zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ zu ebenen. Die Zufriedenheit der Kunden und unserer Kinder wächst alleine dadurch, dass die Kinder bereits früh den natürlichen Eigengeschmack des Lebensmittels kennen lernen und dass sie erfahren, wie durch den Verzehr bestimmter Produkte, die Gesundheit verbessert und die Umwelt geschont werden kann.

Für den Einsatz von Lebensmitteln in Bio-Qualität sollte geprüft werden, welche Produkte vor Ort, also regional angeboten und geliefert werden können. Klar ist, dass die Umstellung auf Bio-Verpflegung nicht von heute auf morgen gelingen kann. Der Kostenfaktor spielt dabei eine große Rolle. Sollten sich andere Einrichtungen dafür entscheiden Bio-Lebensmittel in ihrer täglichen Verwendung einzusetzen, muss geprüft werden, an welcher Stelle Kosten (Arbeitszeit, Einkauf usw.) eingespart werden können. Die Regel lautet: es geht nicht zusätzlich, sondern anstelle von. Abschließend ist zu sagen, dass sich der Einsatz von Bio-Lebensmitteln in der Verpflegung von Kindertagesstätten nachhaltig auswirkt. Der Einsatz fördert die Gesundheit, die Ökologie, die Gesellschaft und die Wirtschaftlichkeit.



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