Änderungen im Tierarzneimittelgesetz: Kennzahlen überschritten - Was ist zu tun?

Änderungen im Tierarzneimittelgesetz: Kennzahlen überschritten - Was ist zu tun?

Mit der Veröffentlichung der Kennzahlen am 15. Februar 2024 stehen Milchviehhalter zum ersten Mal vor dem bundesweiten Vergleich der betriebseigenen Kennzahlen. Auslöser hierfür war die Änderung des Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) im Januar 2023 mit dem Ziel, den Antibiotikaeinsatz in landwirtschaftlichen Betrieben mit Nutztierhaltung zu reduzieren.

Somit sind seit Anfang letzten Jahres, Halter von Milchvieh (ab der 1. Kalbung, auch Totgeburten), Zukaufs-/Aufzuchtkälbern (Kälber, die nicht auf dem Haltungsbetrieb geboren wurden), Zuchtsauen und Ferkel sowie Jung- und Legehennen, Mastputen und Masthühner dazu verpflichtet, die Nutzungsart anzumelden und den durchschnittlichen Tierbestand halbjährlich zu melden. Sofern keine antibiotische Behandlung im Betrieb vorgenommen wurde, ist ebenfalls eine Nullmeldung vorzunehmen. Jungrinder und eigen aufgezogene Kälber fallen dementsprechend nicht unter das Gesetz.

Die elektronischen Meldungen müssen erfolgen, wenn im Jahresdurchschnitt mehr Tiere gehalten werden, als die gesetzlichen Bestandsuntergrenzen festlegen. Eine Übersicht über die festgelegten Bestandsuntergrenzen sind in Tabelle 1 dargestellt:

Tabelle 1: gesetzlich festgelegte Bestandsuntergrenzen
NutzungsartBestandsuntergrenze (Anzahl Tiere)
Milchrind (ab 1. Kalbung) >25
Zukaufs- /Aufzuchtkälber ( Kälber, die nicht auf dem Haltungsbetrieb geboren wurden)>25
Saugferkel + Zuchtsauen>85
Absatzferkel und Mastschweine>250
Junghennen und Puten>1.000
Legehennen>4.000
Masthühner>10.000

Während der Tierarzt u.a. die Meldung der Verabreichung und Dosierung des Medikaments übernimmt, ist der Landwirt verantwortlich für die Meldung der Nutzungsart und der Tierbewegungen (d.h. Bestandsänderungen im jeweiligen Halbjahr; zur Berechnung der halbjährlichen durchschnittlichen Bestandszahlen).
Die elektronische Meldung erfolgt über die Tierarzneimitteldatenbank (TAM) des Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HI-Tier). Gemeldet werden halbjährlich, jeweils zum 14.01. und 14.07. des Jahres, die durchschnittlichen Bestandszahlen einer jeden Tierart des Betriebes.

Aus den Meldungen des Tierarztes und des Landwirtes ermitteln die zuständigen Behörden die betriebliche Therapiehäufigkeit und teilen diese den Landwirten jeweils zu 01. Februar sowie 01. August des Jahres über HI-Tier mit.

Am 15. Februar jeden Jahres erfolgt, durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die Veröffentlichung der jährlichen Kennzahlen des Antibiotikaeinsatzes.
Die Aufgabe des Betriebes ist es nun, diese drei Kennzahlen (bundesweite Kennzahlen und betriebliche Therapiehäufigkeit) miteinander zu vergleichen und zu kontrollieren, ob die eigene betriebliche Therapiehäufigkeit eine der bundesweiten Kennzahlen oder beide bundesweiten Kennzahlen überschreitet.

1.) Überschreitung Kennzahl 1 (Median)

50% der Betriebe haben weniger antibiotische Behandlungen

Der Tierhalter muss mit dem Tierarzt die Gründe für die Überschreitung ermitteln und Schritte zur Verringerung einleiten. Dieses Gespräch muss dokumentiert werden. Dafür gibt es keinen vorgegebenen Rahmen, die Dokumentation kann betriebsindividuell, in schriftlicher Form festgehalten werden.

2.) Überschreitung Kennzahl 2 (3. Quartil)

75% der Betriebe haben weniger antibiotische Behandlungen

Der Tierhalter muss gemeinsam mit dem Tierarzt einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Reduktion der Antibiotikaanwendungen erstellen und bis zum 01.04. bzw. 01.10. bei der zuständigen Behörde einreichen. Sollten die Maßnahmen aufgrund von z.B. Umbaumaßnahmen länger als 6 Monate dauern, muss ein Zeitplan beigefügt werden.

Bei Überschreitung einer oder beider Kennzahlen ist der Landwirt eigenständig zum Handeln aufgefordert und muss mögliche Überschreitungsgründe erfassen und Maßnahmen zur Verringerung ergreiffen.

Doch wie wird die veröffentlichte betriebliche Kennzahl überhaupt ermittelt und wie kann ein solcher Maßnahmenplan konkret aussehen?

Ermittlung der betrieblichen Therapiehäufigkeit und bundesweite Kennzahl :

Die betriebliche Therapiehäufigkeit gibt an, an wie vielen Tagen in einem Halbjahr ein Tier der jeweiligen Nutzungsart durchschnittlich mit Antibiotika behandelt wurde. Dieser Wert wird wie folgt ermittelt:


Die Antibiotika-Wirktage (AB-Wirktage) sind abhängig von unterschiedlichen Faktoren. Unter anderem von der AB-Wirkung nach Wirktage-Kategorie, der Anzahl Anwendungstage und möglichem Reservefaktor des angewendeten Mittels (zu finden in der HI-TAM) und der Anzahl an Tieren in Behandlung.

Die Mitteilung der betrieblichen Therapiehäufigkeit erfolgt jeweils am 01. August für das 1. Halbjahr und am 01. Februar für das 2. Halbjahr des Vorjahres.

Maßnahmenplan:

Die Anfertigung eines Maßnahmenplans ist nach Vergleich der betriebseigenen mit den bundesweiten Kennzahlen bei Überschreitung der Kennzahl 2 Pflicht. Bei Kennzahl 2-Überschreitung muss für jede betroffene Nutzungsart (Milchkühe = Rinder in der Milcherzeugung ab der 1. Kalbung & Kälber = alle Tiere, die nicht auf dem Betrieb geboren wurden, bis zu einem Alter von 12 Monaten) ein Maßnahmenplan geschrieben werden. Hierzu müssen der Landwirt und sein Bestandstierarzt gemeinsam eine Dokumentation über Haltung, die Gründe für den AB-Einsatz und die bisher getroffenen Maßnahmen sowie neue Maßnahmen zur Verbesserung und somit Minimierung von Antibiotikaeinsatz im Betrieb erstellen. Bei der Ausarbeitung eines Maßnahmenplans ist eine Dokumentation über die im Betrieb vorhandenen Ställe (der betroffenen Nutzungsart) wichtig, da es hier Unterschiede in den Kennzahlen und somit auch Unterschiede in den jeweiligen Maßnahmen geben kann. Genauere Beschreibungen sind vor allem für die Stallbereiche notwendig in denen der erhöhte AB-Einsatz erfolgte und die Maßnahmen vorgesehen sind.

Für die Erstellung eines solchen Maßnahmenplans gibt es u.a. in Rheinland-Pfalz und dem Saarland keine vorgegebene Form, allerdings nach TAMG eine Auflistung an Punkten, die in diesem enthalten sein müssen. Bundesländer wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben hierzu Formular-Vorlagen erstellt, die frei zur Verfügung stehen.
In Ihrem Online Vortrag am 14.03.2024 zeigte Dr. Heidrun Mengel ebenfalls eine in Zusammenarbeit mit dem Milchviehberatungsring Wittlich-Trier angepasste Vorlage für einen solchen Maßnahmenplan auf. Die Excel-Vorlage hierzu steht im Anhang zur freien Verfügung und kann auf Anregung gerne weiter verbessert werden.

Die Frist für die Vorlage des Maßnahmenplans zu den aktuellen Zahlen vom 15.02.2024 bei der zuständigen Veterinärbehörde ist der 01. April 2024.

Hannah Herres, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Eifel und
Kathrin Hammes, Landeskontrollverband Rheinland-Pfalz-Saar


Formblatt Maßnahmenplan Milchkühe  Zukaufskälber 20240301_.xlsxFormblatt Maßnahmenplan Milchkühe Zukaufskälber 20240301_.xlsx

Hannah.Herres@dlr.rlp.de