Was leistet die Kellertechnik?

Die vielfältigen Entwicklungen aus den Bereichen der oenologischen Prozesstechnik und des kellerwirtschaftlichen Apparate- und Anlagenbaus, wie auch eigene Bestrebungen und kellertechnische Versuche in verschiedenen Bereichen, führten erstmalig zu einem sehr facettenreichen Vortrag mit vielen unterschiedlichen Themen.

1. Flotation
Anlagen
Die Flotation hat in den letzten Jahren rasend Einzug in der Weinbranche gehalten und ist inzwischen ein etabliertes Verfahren zur Mostvorklärung. Das Verfahren wurde optimiert, die Flotationsanlagen werden immer kleiner. Inzwischen sind auch Flotationsmodule für Zentrifugalkreiselpumpen und Excenterschneckenpumpen auf dem Markt. Diese ermöglichen die Verwendung der Pumpen als Most- und Weinpumpen auch neben der zeitlich sehr eingeschränkten Nutzungsperiode der Flotationsanlage.
Winzer, für die eine Flotation nur als Ergänzung zu anderen Vorklärverfahren in Frage kommt, können sich eine einfache Flotationsanlage selbst bauen. Das DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück hat dies mit einem interessierten Winzer an der Nahe unter Berücksichtigung der gültigen Sicherheitsnormen getan.

Mit wenigen, kostengünstigen Bauteilen, einem 10 Meter langem Druckschlauch, der als Imprägnierstrecke dient, und einer leistungsstarken Excenterschneckenpumpe konnten wir eine funktionsfähige Flotationsanlage bauen.
Untypische Alterungsnote (UTA)
Die Verwendung des “richtigen” Flotationsgases – Luft oder Stickstoff ist nach wie vor Streitthema und muss differenziert betrachtet werden. Die Oxidation des Mostes durch den in der Luft enthaltenen Sauerstoff ist unumstritten und kann bekanntermaßen Vor- und Nachteile haben. Das DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück konnte in zweijährigen Versuchen bei verschiedenen Rebsorten zeigen, dass bei vorbelastetem Lesegut eine Flotation mit Stickstoff die UTA-Neigung verzögert, während eine Oxidation die UTA-Neigung forciert (vgl. “Fachliche Weinprobe” in “Das Wichtigste 2004”). Die Hintergründe sind mutmaßlich in dem natürlichen UTA-Schutz durch traubeneigene Phenole zu suchen. Zwar werden nur etwa 10 - 20 % der im weißen Most vorhandenen Phenole durch Oxidation verringert, aber diese wirken wohl entscheidend als UTA-vorbeugender Oxidationsschutz. Entsprechende Versuche werden wir auch im Jahr 2004 durchführen, um diese Problematik weiter zu entschlüsseln.

2. Konzentrierung
Das Entziehen von Wasser durch Konzentrierung des Mostes ist seit Herbst 2002 erlaubt. Seitdem sind aufgrund der Praxiserfahrungen und ersten Verschleißerscheinungen durch die längeren Laufzeiten bereits erste Verbesserungen im Anlagenbau vorgenommen worden.
Ein anderes Problem ergibt sich aus der richtigen Berechnung der zu entziehenden Wassermenge. Es herrscht Einigkeit darüber, dass insbesondere bei Rotwein die Mostkonzentrierung sensorische Vorteile haben kann. Da allerdings hochwertige Rotweine in der Regel im Maischegärverfahren hergestellt werden, ist es notwendig, hier richtig anzureichern, zumal für die Mostkonzentrierung nur eine Anreicherungsspanne von 2 %-vol. Alc., entsprechend 16 g Alc./l zulässig ist und eine Kombination mehrerer Anreicherungsverfahren ausgeschlossen wurde.
Die Vorgehensweise verläuft analog der Anreicherung mittels Saccharose. Zuerst sollte die Ausbeute realistisch geschätzt werden, um die spätere Weinmenge zu bestimmen. Dann wird Most abgezogen. Die Regel, maximal 20-30 % Most abzuziehen, kann hier außer Acht gelassen werden, da der Most später wieder auf die Maische zurück gepumpt wird. Es ist sogar eher gut, möglichst viel Most abzuziehen, um die Konzentrierung sinnvoll durchführen zu können. Der Most muss gut vorgeklärt und bei Umkehrosmose vor allem frei von Pektinen sein. Die Berechnung erfolgt über einen Dreisatz:

Gesamtmengeangereichert = Gesamtmengeunangereichert • Anfangsalkohol [g/l] / Endalkohol [g/l]
Wasser = Gesamtmengeunangereichert - Gesamtmengeangereichert

Beispiel:
Sie schätzen die Ausbeute Ihrer Maische mit 80 °Oe auf 5000 l Most, können davon 2000 l abziehen:
5000 l Most, 80° Oe
2000 l Most wird überkonzentriert
80° Oe = 85,1 g/l Gesamtalkohol
16 g/l Anreicherung 101,1 g/l

5000l x 85,1 : 101,1 = 4200l Restmenge
5000l - 4200 = 800l Wasserentzug
2000l – 800l = 1200l überkonzentrierter Most
Überprüfung: nach Rückverschnitt 93 °Oe!

Ein vergleichbares Vorgehen - Überanreicherung einer Teilmenge und Rückverschnitt mit der weniger stark vorgeklärten Restmenge - ist auch bei weißen Mosten möglich und kann im Sinne einer gesicherten Endvergärung sinnvoll sein.

3. Filtration
Tipps zur Optimierung der Kieselgurfiltration
Die Anschwemmfiltration kann bei richtiger Handhabung als sehr preiswertes, schnelles und schlagkräftiges Verfahren von der Vorklärung bis zur Filtration im EK-Bereich bewertet werden. Zur richtigen Handhabung gehört das richtige Voranschwemmen, in Bezug auf Menge und Art des Filterhilfsmittels. Hier sind 1000 g/m² anzustreben. Bei der Voranschwemmung mit grober Perlite hat sich eine zusätzliche Gabe von 20 g/m² Filtrationscellulose als vorteilhaft erwiesen. Für eine spätere Feinfiltration ist zur besseren Brückenbildung zwischen grober Voranschwemmungsgur und feiner Filtrationsgur eine zweite Voranschwemmung mit einer mittelfeinen Kieselgur oder der Mischung von grober und feiner Kieselgur sinnvoll. Wirtschaftlich lässt sich das durch eine erste Voranschwemmung mit 500 g/m² Grobgur und einer zweiten Voranschwemmung mit 500 g/m² mittelfeiner Gur sinnvoll durchführen. Bei falscher Abstimmung der Guren, kann Kieselgur durchgeschwemmt werden oder im anderen Extrem der Filter unnötig schnell verblocken.
Die laufende Dosage beträgt normalerweise zwischen 50 und 200 g/hl. Der Jahrgang 2003 lässt sich sehr gut filtrieren, hier genügen oft schon 35 - 40 g/hl. In Jahren mit starker Fäulnis oder späterer mikrobiologischer Belastung, die langkettige Glucane zur Folge haben, sollte neben dem Einsatz von Glucanasen auch die laufende Dosage erhöht werden. Damit kann ein zu starker Druckanstieg vermieden werden. Eine Reduktion des Druckes ist allerdings nicht mehr möglich, da der bis dahin angeschwemmte Filterkuchen nicht freigespült werden kann. Der Einsatz von gröberer Gur erhöht zwar ebenfalls die Fluxrate, verringert aber auch die Trennschärfe und ist daher gerade bei Anschwemmfiltrationen im EK-Bereich skeptisch zu beurteilen.
Alternative Filterhilfsmittel für die Anschwemmfiltration
Die Versuche des letzten Jahres, Perlite als Kieselgurersatz zu testen, wurden fortgeführt (vgl. “Das Wichtigste 2003”, S. 92 ff.). In diesem Jahr konnten wir zeigen, dass auch bei stehenden Anschwemmkerzen eine problemlose Filtration mit Perlite möglich ist - vorausgesetzt, in der Voranschwemmung werden 20 g/m² Filtrationscellulose beigegeben.
Orientierende Versuche mit Cellulose als alleinigem Filterhilfsmittel verliefen sensorisch problematisch. Dieses Problem ist aber offenbar von Herstellerseite gelöst worden, was auf eine weitere, vielleicht sogar günstigere Alternative zur Kieselgur hoffen lässt. In diesem Jahr werden wir daher weitere Versuche zu diesem Thema durchführen. Insbesondere die kolloidale Strukturveränderung durch die Filtration mit Kieselgur, Perlite und Cellulose muss noch eingehend untersucht werden.

4. Savioz-Fass
Das Savioz-Fass ist ein eckiges Holzfass, welches laut Hersteller gut und platzsparend zu stapeln ist, durch schräge Boden- und Deckelplatten gut und vollständig entleerbar und vollständig, ohne Lufteinschluss befüllbar ist, eine gleichmäßige, definierte Toastung aufweist, durch Weiterverarbeitbarkeit ressourcenschonend und preisgünstig in der Herstellung ist. Alle Versuchsanstalten hatten die Savioz-Fässer mit verschiedenen Schwerpunkten getestet (vgl. Dr. O. Schmidt: “Lagergefäße: Die Quadratur des Kreises” in “Das deutsche Weinmagazin” 21/2003, S. 20 ff.). Die Untersuchungen des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach bezogen sich auf das allgemeine Handling, die Reinigung der eckigen Fässer und die Sensorik im Vergleich zu konventionellen Barrique-Fässern.
Zum Ersten fiel das schnelle Rosten der verzinkten Stahlbänder auf. Dieses Problem wurde bei den Fässern der zweiten Generation dadurch gelöst, dass die Bänder durch schwefelbeständige Edelstahlbänder ersetzt wurden. Desweiteren fielen Undichtigkeiten der durch Nut- und Federtechnik verbundenen Fässer auf. Dies ist auf einen, laut Hersteller behobenen, Fabrikationsfehler zurückzuführen. Größere Mengenverluste waren aber nicht festzustellen.
Zum Zweiten konnte eine Zeitersparnis von etwa 30 % im Vergleich zu der Reinigung von Barriques festgestellt werden, allerdings bereitet die Reinigung der Ecken Probleme. Zur Analytik und Sensorik ist festzustellen, dass die Weine schneller reifen, was durch eine stärkere Oxidation zu erklären ist, bedingt durch das dünnere Holz. Dies ist eindeutig als Vorteil bezüglich einer frühen Trinkreife des Weines zu werten. Die Holzauswahl für die Fässer der ersten Generation war aber offensichtlich nicht optimal. Negativ zu beurteilen waren daraus resultierende unreife, grüne Holznoten. Unterm Strich hat das Savioz-Fass nach Beseitigung der “Kinderkrankheiten” das Potential, zu einer preiswerten Alternative zu den Barrique-Fässern zu avancieren.

5. Gärführung
Parameter zur Gärführung
Die Gärung ist nach wie vor für viele Winzer ein Buch mit sieben Siegeln. Die geführte Gärung ist der Schlüssel zu Reintönigkeit und Durchgärung des Weines. Bisher wird die Gärung in Kleingebinden in der Regel überhaupt nicht gesteuert, bei größeren Gebinden geschieht dies durch Kühlung auf die gewünschte Gärtemperatur. Dies hat zur Folge, dass erstens die Temperatur ständig zwischen der vorgegebenen Minimum- und Maximumtemperatur schwankt und damit die Gärung ständig forciert und wieder gedrosselt wird. Zum Zweiten ist die Temperatur zwar ein entscheidender Gärungsparameter, letztlich sollte jedoch eine gleichmäßige Zuckerabnahme angestrebt werden. Daher macht es eher Sinn, nicht über die Temperatur die Zuckerabnahme steuern zu wollen, sondern über die Zuckerabnahme die Temperatur zu kontrollieren. Statt der Vorgabe einer Zieltemperatur sollte man die tägliche Mostgewichtsabnahme vorgeben. Erste Ansätze, mittels Dichtemessung die Mostgewichtsabnahme und damit die Zuckerabnahme zu erfassen und somit die Gärung besser steuern zu können, sind inzwischen in vielfältiger Form auf dem Markt, wenn auch größtenteils recht teuer. Damit lässt sich jedoch eine gleichmäßige Gärung zur Erzielung reintöniger Weine ohne größere Bukett-, Alkohol- und CO2-Verluste realisieren. “Schnellgärer” und “Steckenbleiber” können besser vermieden werden, als dies durch die bisher übliche Temperatursteuerung der Fall war.
Konvektion durch gezielte Temperaturführung
Mit gezielter Gärführung geht auch das Erzeugen einer gezielten Konvektion zur Homogenisierung und damit der Vermeidung von Schichtungen des gärenden Mostes verschiedener Temperaturen einher. Dies lässt sich durch das Anbringen verschiedener Kühlzonen an den Tanks realisieren. Damit könnte man die Mindesttrubgehalte zur Erzeugung der inneren Oberfläche, die dem Anhaften von Hefezellen und auftreibenden CO2 dienen und somit für eine Konvektion sorgen, auf das notwendige Maß zur Versorgung der Hefe mit Nährstoffen reduzieren.

Zur Erzeugung einer Konvektion werden jeweils die oberen Kühlzonen geöffnet, der kalte, dichtere Most sinkt ab, der Tank wird umgewälzt. Bei einer notwendigen Erwärmung würden analog die unteren Zonen geöffnet. Zur Klärung werden alle Zonen zur Kühlung geöffnet, so dass eine Konvektion unterbunden wird und bei tiefen Temperaturen die Klärwirkung durch Kolloidausfall verbessert und biologische Gefahren minimiert werden. Eine lange Hefelagerung ohne Autolysegefahr ist durch Ansteuerung der unteren Kühlzonen möglich. Das Anbringen mehrerer Zonen, insbesondere bei Tanks mittlerer Größe ist allerdings sehr kostenintensiv und rechnet sich in der Regel nicht. Daher entwickelt das DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Zusammenarbeit mit der Industrie aktuell kostengünstigere Alternativlösungen.

6. Betriebssicherheitsverordnung
Die Betriebssicherheitsverordnung (Betr.sicherh.-VO), seit 03.10.2002 in Kraft, ist in puncto “Spritzen-TÜV” in aller Munde. Sie ist allerdings noch viel weiterreichend. Die neue Verordnung dient der Harmonisierung des EU-Rechtes und integriert acht der zwölf Verordnungen des Gerätesicherheitsgesetztes, wie Druckbehälter-VO, Dampfkessel-VO, Aufzugs-VO und andere. Die Betr.sicherh.-VO deckt damit fast alle Felder der betrieblichen Sicherheit ab und gilt für alle Arbeitsmittel und überwachungsbedürftige Anlagen. Dabei obliegt es dem Betreiber (Arbeitgeber), alle Arbeitsmittel, das heißt Werkzeuge, Maschinen, Geräte und Anlagen, einer Risikoanalyse zu unterziehen und Art, Umfang und Fristen für Prüfungen der Arbeitsmittel eigenverantwortlich festzulegen und für die Durchführung und Dokumentation Sorge zu tragen. Dabei muss beachtet werden, dass im Anhang der Verordnung Mindestanforderungen festgeschrieben sind und dass Art, Umfang und Fristen für überwachungsbedürftigen Anlagen, wie Druckbehälter, weiterhin gesetzlich vorgeschrieben sind. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter in für diese verständliche Art und Weise auf Gefahren im Umgang mit Arbeitsmitteln hinweisen.
Viele Prüfungen dürfen von “befähigten Personen” durchgeführt werden. Eine befähigte Person ist nach §2 (7) der Verordnung “eine Person, die durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Fachkenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügt.” Nach §3 (3) hat der Arbeitgeber “die notwendigen Voraussetzungen zu ermitteln und festzulegen, welche die Personen erfüllen müssen, die von ihm mit der Prüfung oder Erprobung von Arbeitsmitteln zu beauftragen sind.” Dies gilt aber nur, soweit es sich nicht um überwachungsbedürftige Anlagen handelt. Befähigte Personen dürfen insbesondere Druckbehälter mit einem Druckvolumen <200bar•l, Dampferzeuger bis höchstens 110° C, pneumatische Weinpressen (einmal jährlich zu prüfen) und Druckbehälter, zur Lagerung von Getränken, mit einem Druckvolumen <3000bar•l (einmal jährlich) prüfen. Allerdings müssen diese Arbeitsmittel bei festgestellten Schäden von einer autorisierten Überwachungsstelle, wie dem TÜV, überprüft werden. Alle Prüfungen sind zu dokumentieren. Unklar bleibt jedoch, ob auch Winzer für die letztgenannten Prüfungen der als überwachungsbedürftige Anlagen eingestuften Arbeitsmittel befähigt sein können oder ob, wie bisher, ein Sachkundenachweis hierfür zu erbringen ist.


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