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Spontangärung – Chance oder Risiko ? |
Vortag von Herrn Ulrich Hamm zur 50. Kreuznacher Wintertagung 2006 Bis vor etwa hundert Jahren gab es, aus Mangel an Kenntnissen über die Gärungserreger, keine Alternative zur Spontangärung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es durch umfangreiche mikrobiologische Forschung diese Wissenslücken zu verringern und entscheidende Verbesserungen bei der Gärführung zu etablieren. Der Begriff „Gärsicherheit“ kann in diesem Zusammenhang erst seit ca. 40 Jahren verwendet werden. Die dafür verantwortliche Entwicklung war vor allem der weit verbreitete und erfolgreiche Einsatz von Reinzuchthefen. Warum verzichten nun mehr und mehr Winzer freiwillig auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Reinzuchthefen? Bei der aktuellen Diskussion um die Spontangärung stehen daher unter anderem die folgenden Fragen im Raum:
Der entscheidende Vorteil der Spontangärung liegt darin, dass durch das Zusammenspiel von verschiedenen „guten“ Hefen aus dem eigenen Weinberg die Weine vielschichtiger und komplexer werden. Die Forcierung des lagentypischen Aromapotentials, die ausgeprägte Fruchtigkeit der Weine und nicht zuletzt das natürliche, traditionelle Verfahren spiele jedoch vor allem in der Vermarktung eine große Rolle. Doch wie zuverlässig ist die positive Entwicklung der „Sponti-Weine“ letztendlich? Betrachtet man sich die natürliche Mikroorganismenflora auf den Trauben genauer so findet man zunächst in dieser Mischflora Bakterien und Schimmelpilze aber auch verschiedene Hefestämme. Je nach Witterungsbedingungen, Pflanzenschutzmaßnahmen, Schädlingsbefall, Nährstoffversorgung etc. schwankt sowohl die Gesamtzahl der Organismen und die prozentuale Zusammensetzung. Die reine Hefepopulation wird von den schwach gärenden Apiculatus-Hefen (Hanseniaspora uvarum) dominiert. Hinzu kommen einige Kahmhefegattungen und weitere „wilde Hefen“. Der Anteil an „guten“ echten Weinhefen (Saccharomyces cerevisiae) liegt lediglich bei 1-3%. Dies bedeutet das die „guten “Hefen zunächst einen harten „Überlebenskampf“ gegen eine Vielzahl weiterer Organismen hinter sich bringen müssen. Zusätzlich muß die Hefezellzahl noch von etwa 100-1.000 auf 20-100 Millionen Hefezellen/ml vermehrt werden. Die Kunst bei der Durchführung der Spontangärung liegt also darin die Rahmenbedingungen bei der Lese, Traubenverarbeitung und der Gärung so zu gestalten das sich die guten Hefen durchsetzen können. Dies wird in der Praxis bei einigen „Spezialisten“ mit einer gewissen Zuverlässigkeit funktionieren, bei einer „normalen“ Vorgehensweise im Keller kann man gelungene „Spontis“ als Zufallsprodukte bezeichnen. Eine entscheidende Rolle hat hierbei auch die im Keller vorhandene Hefeflora, da sie wesentlich besser an die Mostbedingungen angepasst sind als die Traubenflora und die Gärung meist übernimmt. Bei aller Begeisterung für diesen Weintyp ist das Risiko der Bildung von flüchtiger Säure und weiterer unangenehmer Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen bei der Spontangärung allgegenwärtig. So mancher Winzer hat bereits seine Mühe einen einzigen Mikroorganismus in Form einer Reinzuchthefe oder eines Milchsäurebakteriums zu kontrollieren. Dementsprechend ist es weit aus schwieriger eine Mischkultur wie bei der Spontangärung zu kontrollieren. Hinzu kommt, das die Grenze zwischen der „Spontiaromatik“ und einem Böckser oft äußerst gering ist und die Spontis einer längeren Lagerdauer bedürfen um die geeignete Trinkreife zu erlangen. Aus diesen Überlegungen wird klar das nicht jedes Lesegut für eine Spontangärung geeignet ist. Um eine geeignete Ausgangsflora zu erlangen ist ein physiologisch reifes und gesundes Traubenmaterial zwingend nötig. Durch möglichst tiefen pH-Wert (<3,4) ist ein weiterer selektiver Vorteil für „gute“ Organismen gegeben und vor allem Milchsäurebakterien werden gehemmt. In der weiteren Verarbeitung muß möglichst schnell und schonend vorgegangen werden um früh die Entwicklungsmöglichkeiten für echte Weinhefen zu optimieren und den Eintrag von anderen Mikroorganismen gering zu halten. Der Faktor Temperatur sollte bei der Spontangärung von der Lese an bis zur Gärung in einem Tiefen Bereich (<15°C) gehalten werden. Dies begünstigt zwar zunächst die Hefen der Gattung Hanseniaspora uvarum, reduziert aber auch die Aktivität der Hintergrundsflora und steigert so insgesamt die Sicherheit. Eine weitere Steigerung der Sicherheit läst sich durch den Einsatz von SO2 auf Maische oder Most erzielen. Hierdurch werden die SO2-unempfindlichen Weinhefen indirekt gefördert da alle anderen Mikroorganismen unterdrückt werden. Während der Gärung ist ein wesentlich höherer Kontrollaufwand erforderlich um auf beginnende Fehlentwicklungen möglichst rasch reagieren zu können. Zur Steigerung der Sicherheit ist das heranziehen eines eigenen, aktiven Hefeansatzes aus den ersten Mosten des Jahrgangs ein in der Praxis bewährtes Verfahren. Aber auch zahlreiche andere Verfahrensweisen wie z.B. eine spontane Angärung mit anschließendem Reinzuchthefeeinsatz sind möglich. Zusammenfassend muß die Spontangärung als ein Verfahren für absolut hochwertiges Ausgangsmaterial betrachtet werden, welche das Spektrum in einem Weingut erweitert. Die Anwendung bei größeren Partien sollte den Spezialisten vorbehalten bleiben, welche über die entsprechende Erfahrung verfügen und bereit bzw. in der Lage sind dieses hohe Risiko zu tragen. |
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