Qualitätsweinanstellungen 2011 – turbulentes Jahr mit Auswirkungen auf den Markt

Die Weinernte 2010 in Deutschland war klein, sehr klein. Nur rd. 7 Mio. hl Wein konnten die Winzer in die Keller einfahren. In Rheinland-Pfalz wurden nur 4,6 Mio. hl geerntet, so wenig, wie seit 25 Jahren nicht. Auf dem Weinmarkt blieb das natürlich nicht ohne Auswirkungen, waren die Bestandsmengen doch schon vorher auf einem sehr niedrigen Niveau angekommen.

Neben der teilweise angespannten Liefersituation von direkt vermarktenden Weingütern, die 2011 bei bestimmten Artikeln schon früh ausverkauft waren, ist die Lage im Lebensmittelhandel durchaus schwierig. Wer den Handel nicht adäquat beschicken konnte, flog aus den Listungen und Regalen. Der deutsche Wein erlitt deutliche Marktanteilsverluste im harten Verdrängungswettbewerb. So musste das Deutsche Weininstitut (DWI) einen Rückgang des Deutschweinanteils im heimischen Markt auf nunmehr 43 % (-8 % gg. Vj.) vermelden. Das sagen die Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die das Einkaufsverhalten von 30.000 Haushalten untersucht. Aufgrund von Preissteigerungen blieb der Umsatzanteil zwar konstant bei 51 %, die Folgen von Auslistungen und dem Verlust von wichtigen Regalmetern bei den großen Weinvermarktern werden aber sicher noch einige Zeit nachwirken und möglicherweise teuer. Der Lebensmittelhandel lässt sich die Neu-Aufnahme von Produkten die Verkaufsregale nämlich gerne in Form von Werbekostenzuschüssen und Listungsgeldern „honorieren“. Einen Teil der Zeche bezahlt dann letztlich auch der Winzer, das ist sicher.

Pfalz hat zu wenig Wein für Kellereien

Im Folgenden werden die Daten der Qualitätsweinprüfung analysiert, die uns von der Landwirtschaftskammer zur Verfügung gestellt wurden. Die Anstellungsmenge von Qualitätswein ist in 2011 nunmehr im dritten Jahr in Folge zurückgegangen. Vor allem bedingt durch die kleine Erntemenge des Jahres 2010 wurden nur 4,9 Mio. hl (-6,1 % gg. Vj.) von den Betrieben in Rheinland-Pfalz zu Prüfung angestellt. Die Pfalz war aufgrund mehrer großflächiger Hagelereignisse besonders stark von Ernteverlusten betroffen. Die Anstellungsmenge ging dort um rd. 18 % zurück. Auch an der Mosel sank die Qualitätsweinmenge um 9,2 %. Die Mehrmengen der Anbaugebiete Rheinhessen (+ 4,9 %) und Nahe (+3,6 %) konnten diese deutlichen Rückgänge bei weitem nicht ausgleichen. Für die Pfalz brachte die Ernte 2010 somit einen dramatischen Einbruch. In den zurückliegenden Jahren schaffte es die Pfalz bei den wichtigen Rebsorten immer weiter zuzulegen – teilweise entgegen dem allgemeinen Markttrend. Die Ernte 2010 hingegen hatte zwangsläufig einen grundlegenden Wandel des Einkaufsverhaltens der Kellereien zur Folge hat. Der Markt in der Pfalz war schlichtweg „leer geräumt“, viele Flaschenwein vermarktende Weingüter sicherten sich direkt nach dem Hagel Trauben, Moste oder Fassweine durch Zukauf von Kollegen. Mengen, die im Herbst für Kellereien dann nicht mehr zur Verfügung standen. So fielen die Rückgänge der Anstellungsmengen in der Pfalz bei den Kellereien mit über 24 % auch weitaus höher aus, als bei den Weingütern, die um 6 % zurückgingen. Winzergenossenschaften stellten 13 % weniger als im Vorjahr an.

Profiteur der angespannten Vermarktungssituation in der Pfalz war Rheinhessen, das bei den Kellereien mengenmäßig um rd. 8% zulegte. Diese kauften ganz offensichtlich die fehlenden Mengen im benachbarten Anbaugebiet ein. Besonders trifft das für die angesagten weißen Rebsorten zu, wie Riesling (Pfalz: -18%; Rhh: +62%), Grauburgunder (Pfalz: -25%; Rhh: +50%) oder Weißburgunder (Pfalz: -6%; Rhh: +72%). Herkünfte sind im großen Markt dem Anschein nach leicht auszutauschen. Inwieweit sich die Bezugspolitik der Kellereien mit dem Jahr 2011 nachhaltig verändert hat oder ob die Einkäufer wieder in die Pfalz zurückkehren, werden die kommenden Monate zeigen.

Mit dem Blick auf die Entwicklung der einzelnen Betriebsgruppen wird deutlich, dass der Weinmarkt insbesondere im Lebensmittelhandel einem extrem harten Wettbewerb unterliegt. Waren die angestellten Qualitätsweinmengen von Kellereien bis zum Jahr 2007 noch kontinuierlich gestiegen, sind die Zahlen seitdem deutlich rückläufig. Unabhängig von der sehr speziellen Erntesituation des Jahres 2010 ist dieser Trend unverkennbar. Neben dem allgemeinen Wettbewerbsdruck auf deutsche Weine gibt es aber noch einen weiteren Grund für die rückläufigen Qualitätsweinzahlen. Kellereien, die eine Markenstrategie verfolgen, setzen (zur Zeit vor allem noch im Export) auf die Kontinuität von Eigenmarken. Generics im Qualitätsweinbereich verlieren an Bedeutung, wenn die gewünschten Weintypen auch aus dem Landwein-Kontingent oder unter der neuen Bezeichnung „Deutscher Wein“ produziert und vermarktet werden können. Im Handel und/oder im Export zählen Marken mehr als Anbaugebiete. Darüber hinaus gibt es natürlich auch handfeste betriebswirtschaftliche Interessen für diese beobachtete Verschiebung. Der Preisunterschied zwischen Riesling Qualitätswein und einem Landwein liegt derzeit bei rund 30 €/hl.



Was kommt nach dem Dornfelderboom?

Die Weinarten haben eine sehr unterschiedliche Entwicklung genommen. Während die Anstellungsmenge von Weißweinen gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert (- 1 %) geblieben ist, sind die Rotweinanstellungen um rd. 15 % zurückgegangen (siehe Graphik 3).
Dieser Rückgang geht zum Großteil zu Lasten des Dornfelders. Was kommt nach dem Dornfelderboom? Diese Frage stellen sich die großen Vermarkter schon seit einiger Zeit. Die Anstellungsmenge der Trendrebsorte der letzten 10 Jahre gleicht einer klassischen Produktlebenszykluskurve.

Wir erleben den Ausklang einer vorher nie da gewesenen Erfolgsstory. Die Anstellungsmenge von Dornfelder in Rheinland-Pfalz ist auf 920.000 hl um sage und schreibe Minus 18 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Sicher wird Dornfelder Rotwein auch in Zukunft weiter nachgefragt, vor allem im Lebensmittelhandel und Discount. Die goldenen Zeiten mit zweistelligen Wachstumsraten sind aber längst vorbei. Und was kommt jetzt? Ein neuer „Heilsbringer“ in Form einer attraktiven roten Rebsorte ist nicht in Sicht. Regent konnte nicht in die Marktlücke stoßen. Spätburgunder ist für viele Verbraucher zu kompliziert und erklärungsbedürftig, Portugieser allenfalls als Weißherbst marktfähig. Internationale Rebsorten, die sich bei Kunden direkt vermarktender Winzern steigender Beliebtheit erfreuen, sind in der Fläche auf mittlere Sicht noch unbedeutend. Also doch weiter auf den Dornfelder setzen. Warum eigentlich nicht? Es sei die Frage erlaubt, ob das Qualitätspotenzial dieser Rebsorte bereits voll ausgeschöpft wurde. Dass ein solches vorhanden ist, beweisen ambitionierte Winzer, die es geschafft haben mit Dornfeldern anerkannte Rotweinpreise zu gewinnen. Die Rebanlagen sind älter geworden, das Mengenwachstum ist vorbei. Was liegt näher, als jetzt verstärkt auf qualitatives Wachstum zu setzen? Die Weinkonsumenten warten darauf. Die Rahmenbedingungen für Wertschöpfungsstrategien sind gut, sagen die Konsumforscher von der GfK.

Mit dem Rotwein hat sich auch der Rosémarkt in den letzten 10 Jahren dramatisch verändert. Hellroter Wein aus Rheinland-Pfalz war bis vor kurzen gleichbedeutend mit Portugieser Weißherbst. Noch 2001 fielen fast 80 % der Rosé-Anstellungen auf diese Rebsorte. Gerade mal 6 % waren damals Spätburgunder Weißherbst, der Rest aller anderen Rebsorten und Rosé-Spielarten erreichte einen Anteil von 12 %. Heute hat der Dornfelder auch dieses Marktsegment erobert. Im Jahr 2011 fielen gerade noch 45 % auf Portugieser Weißherbst. Der Dornfelder Rosé folgte mit einem 23 %-Anteil an zweiter Position. Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Dornfelder in weniger Jahren auch im Rosésegment die Marktführerschaft erobern wird. Den Rest des Kuchens teilen sich 4 % Spätburgunder Weißherbst und die vielen anderen roten Rebsorten und Cuvees. Im Gegensatz zum Weißwein scheinen Rebsortencuvees im sehr preissensiblen Rosébereich am Markt nämlich zu funktionieren.

Bei der Restsüße nichts Neues

Der Trend zu trockenen Qualitätsweinen setzt sich langsam und kontinuierlich fort. Über alle Weinarten betrachtet lagen 38,4 % (Vj.: 37%) der Anstellungen im trockenen, 18 % im halbtrockenen und 43,5 % (Vj.: 44%) im lieblich/süßen Geschmacksbereich. Bei einem genaueren Blick in die verschiedenen Weinkategorien zeigt sich ein stabiles Geschmacksprofil beim Rotwein, wo seit Jahren rund 75 % der Weine im trocken/halbtrockenen und 25 % im lieblich/süßen Korridor liegen. Bei den Roséweine aus Rheinland-Pfalz machen Produkte in der lieblich/süßen Kategorie noch 61 % (Vj. 65%) aus. Als halbtrocken werden 25 % und trocken 14 % der hellroten Weine vermarktet.

Bei Weißwein muss man zwischen Weinen „ohne Rebsorte“ und solchen mit Rebsortenangabe unterscheiden. Erstgenannte sind überwiegend dem Segment der Generics (Großlagen, Liebfraumilch usw.) zuzuordnen und liegen zu 95 % im Geschmacksprofil „lieblich/süß“. Bei den Rebsortenweinen nähert sich das Restzuckerprofil immer mehr dem von Rotweinen an. In 2011 wurden 52 % der weißen Qualitätsweine trocken gefüllt (Tendenz steigend). Nahezu gleich geblieben ist die Menge der halbtrockenen Geschmacksrichtung (29%) und leicht zurückgegangen sind lieblich/süße Weißweine (31 %).

Kurze Zusammenfassung:
  • aufgrund der kleinen Ernte 2010 verliert deutscher Wein Marktanteile im Inland
  • besonders betroffen sind die Anbaugebiete Pfalz und Mosel
  • Kellereien ändern ihr Einkaufsverhalten und beziehen Weine vermehrt aus Rheinhessen
  • gefragt sind Weißweine, insbesondere Riesling und die Burgunder
  • Rotweinanstellungen gehen um 15 % zurück
  • Anstellungen von Rebsortenweinen in der trockenen Geschmacksrichtung steigen
  • Anstellungen von Generics sinken
  • neue Wertschöpfungsstrategien sind am Markt gefragt


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