Alte und neue Tafeltraubensorten

Sorten-Anbauempfehlungen
Die Sortenpräferenz von großen Eigenvermarktern oder Erzeugerzusammenschlüssen, die auch den Handel beliefern, beschränkt sich bisher im Wesentlichen auf die Frühsorten Muskat bleu und Lilla, die sowohl von der Traubenqualität her überzeugen als auch vom Anbau unproblematisch sind. Sie werden bereits im größeren Stil angebaut. Nach Auskunft von Erwerbsanbauern werden gegenwärtig weiße Trauben (60%) stärker nachgefragt als blaue (40%). Der Sortenspiegel sollte darauf ausgerichtet werden. Die weiteren, in der Praxis bereits verbreiteten Sorten besetzen bisher eher Nischen im Direktabsatz, bei den spätreifenden Sorten ist besonders die Ausreife auf ungünstigen Standorten und Jahren problematisch, andererseits stellen diese eine Möglichkeit dar, das Angebot an frischen Trauben bis in den Spätherbst zu verlängern. Gerade der warme Spätherbst 2005 brachte unerwartet gute Traubenqualitäten bei spätreifen- den Sorten. Das Vorjahr war in dieser Hinsicht problematisch.
    Vorzüge und Schwachstellen empfehlenswerter pilzfester Tafeltraubensorten, Zusammenstellung DLR Rheinpfalz, Anordnung nach Beerenfarbe und Reifezeitpunkt
    Sorte
    Reifezeit
    Schwachstellen
    Vorzüge
    Esther (blau)Früh
    ( Mitte August)
    kurzes Erntefenster
    Botrytis und Wespenfraß
    kleine grüne Beeren
    Frühsorte
    gute Ausreife
    Nero
    (blau)
    frühkurzes Erntefenster
    Botrytis, kompakt
    Aprilfröste, früher
    Austrieb
    Frühsorte
    Ertrag hoch
    Geschmack, Beerenform
    gute Ausreife
    Birstaler Muskat (hell)früh - mittelgeringe Beerengröße
    verrieseln, “zottlige”
    Traubenstruktur
    gelb-grüne Beerenfarbe
    wenig Botrytis, sehr pilzfest
    leichter Muskatton
    sehr süß
    weites Erntefenster
    Muscat Bleu
    (blau)
    früh (- mittel)verrieseln, “zottlige”
    Traubenstruktur
    wenig Botrytis, sehr pilzfest
    gute Haltbarkeit
    leichter Muskatton
    kaum Ausdünnen, gute Ausreife
    Palatina (hell)früh - mittelBotrytis
    kurzes Erntefenster
    leichter Muskatton
    Farbe, Geschmack
    gute Ausreife
    Lilla (hell)früh -mittelBotrytisgroße Beeren, große Traube
    Ertrag hoch
    gute Ausreife
    Fanny (hell)mittel - spätmittlerer Geschmackgroße Beeren, große Traube
    Ertrag hoch
    Angela (hell)sehr spätOidium
    nur für beste,
    herbsttrockene Lagen
    große Beeren, große Traube
    Ertrag hoch
    bis Weihnachten lagerbar
    Theresa (hell)sehr spät
    (Mitte Oktober)
    Oidium
    nur für beste,
    herbsttrockene Lagen
    große längliche, leicht
    rosefarben Beeren
    hohe Erträge
    sehr große Traube
    Alle aufgeführten Sorten sind kernhaltig. Kernlose bzw. kernarme Sorten werden häufig vom Handel verlangt. Die einzige bisher verbreitete Sorte Lakemont Seedless ist relativ kleinbeerig und fäulnisempfindlich. Hinzu kommt, dass die Beeren bei Reife sich sehr leicht vom Stielgerüst lösen, so dass sie nur eingeschränkt für den Erwerbsanbau empfohlen werden kann. Neue Sorten haben dann Praxisberechtigung, wenn sie qualitativ besser sind oder bestehende Erntelücken füllen können.


    Neue aussichtsreiche Züchtungen für den Erwerbsanbau

    rosé- /rotschalig:

    Katharina: Die Sorte weist eine gute bis sehr gute Pilzfestigkeit gegen echten und falschen Mehltau auf.
    Die hohe Festigkeit gegen Beeren- und Stielbotrytis ist bedingt durch die lockere Traubenstruktur und feste Beerenschale mit kräftig ausgebildetem Stielgerüst. 2005 waren zwei Spritzungen mit Netzschwefel völlig ausreichend. Die große Beere ist länglich-oval und vorne leicht zugespitzt. Eine feste Beerenkonsistenz liegt noch bei Vollreife vor, die Traube ist relativ wenig Druck empfindlich und daher gut ernte- und lagerfähig. Geschmack fruchtig süß mit angenehmer, erfrischender Säure, festes knackiges Beerenfleisch. Die feste Beerenhaut ist wenig störend, einziger Nachteil sind die etwas harten Kerne. Die mittelgroße Traube ist kaum geschultert, die Beerenanordnung sehr gleichmäßig, daher sehr formschön. Die Ausfärbung der Beeren ist gleichmäßig. Wuchs aufrecht und kräftig, Erträge mittel bis hoch. Reifezeit ab Ende September, Erntezeit bis Ende Oktober. Eine lange Hängdauer ist durch die Robustheit der Traube gegeben. Gute Holzreife und festes Blattwerk zeichnet die Sorte für den naturnahen Anbau aus. Für eine regelmäßige Ausreife sind aber weinbauwürdige Lagen erforderlich. Die Anbauwürdigkeit und Marktfähigkeit dieser Sorte kann nach bisherigen Erfahrungen als sehr gut eingeschätzt werden, durch die auffällige Beerenfärbung ist sie auch vom Kunden sehr gut zu unterschieden und leicht einprägsam.


    Tafeltraube Katharina


    gelbschalig:

    Franziska: Gute bis sehr gute Pilzfestigkeit gegen echten und falschen Mehltau, 2005 waren zwei Spritzungen mit Netzschwefel ausreichend. Die große und etwas längliche Beere ist gelb-grün mit fester Konsistenz des Beerenfleisches und kernhaltig. Die Traube ist groß bis sehr groß, es wurden schon
    Traubengrößen von bis zu 1500 g festgestellt. Der Geschmack ist angenehm fruchtig-neutral mit angenehmer Säure, ähnlich Angela. Traube recht lockerbeerig und meist mehrfach geschultert. Die Reife beginnt ab Ende September. Die Erntedauer liegt bei ca. 14 Tagen, bei Überreife beginnt die Beerenhaut zu platzen, Botrytisinfektionen sind die Folge. Die Vermarktung sollte am besten als einzelne Traube erfolgen, um ein Zuschneiden zu vermeiden. Hohe Erträge und geringe Blüteempfindlichkeit machen gegebenenfalls Ausdünn- und Lockerungsmaßnahmen der Traube erforderlich. Eine Teilung der Blütenstände oder die Entschulterung nach der Blüte kann das hohe Einzeltraubengewicht reduzieren helfen und zu einer Lockerung beitragen. Für den Anbauer stellt die Sorte eine sinnvolle Ergänzung derSortenlücke vor Angela/Theresa dar. Gute Holzreife und aufrechter, kräftiger Wuchs. MittlereLageansprüche.


    Tafeltraube Franziska

    Sophie: Gute Pilzfestigkeit, 2005 genügten zwei Spritzungen mit Netzschwefel, gute Botrytisfestigkeit. Die Beerenfarbe ist ein kräftiges Gelb, die Oberfläche ist fein gepunktet, die Beere mittelgroß bis groß und länglich. Reifezeit ist von Mitte September, sie fällt damit mit Franziska zusammen. Durch die festere Beerenschale ist die Ernteperiode bei Sophie allerdings länger. Das Beerenfleisch ist fest, die Beere kernhaltig. Der Geschmack ist fruchtig-süß. Die aufgelockerte Traube ist wenig geschultert und sehr formschön.
    Der Anbauwert kann bisher als hoch eingeschätzt werden, sie stellt eine ideale Ergänzung im gelbschaligen Sortiment ohne Muskatgeschmack dar. Besonders die optimale Traubenform, Beerengröße und -farbe machen diese Sorte für den Erwerbsanbauer attraktiv. Vorteilhaft ist auch die geringe Fäulnisneigung, die gute Holzreife und ein aufrechter, kräftiger Wuchs. Mittlere Lageansprüche.

    Tafeltraube Sophie


    gelbschalig und kernarm:

    Evita: Die Sorte zeigt eine gute Pilzfestigkeit, 2005 waren zwei Behandlungen mit Netzschwefel ausreichend. Die mittelgroße, kugelförmige Beere ist hellgelb-matt, bei guter Besonnung auch dunkelgelb. Die Beerenkonsistenz ist sehr fest, das Fruchtfleisch knackig. Die Beeren sind kernarm mit lediglich
    weichen Kernen und besitzen eine angenehme Muskatnote. Die Reifezeit liegt ab Anfang September, Erntezeit bis Anfang Oktober. Durch die feste Beerenschale ist die mittelgroße Traube sehr robust gegen Botrytis und feuchte Witterung, jedoch kann eine gewisse Neigung zur Kompaktheit hier nachteilig sein und bei Vollreife von innen her Botrytis auslösen. Durch die Kernarmut und lange Erntezeit kann der Sorte einen hohen Anbauwert bescheinigt werden. Mittlere Lageansprüche.

    Tafeltraube Evita


    blauschalig:

    Georg: Sorte mit guter bis sehr guter Pilzfestigkeit, bei zwei Netzschwefelbehandlungen trat kein Befall durch Mehltauerkrankungen auf. Sehr hohe Botrytisfestigkeit. Die Schale der länglich-ovalen, großen Beeren ist dunkelblau bei guter Ausfärbung. Die mittelgroße Traube ist ausgesprochen lockerbeerig, aber in der Regel aber noch geschlossen. Mit der festen Beerenschale wird so die hohe Botrytisfestigkeit erreicht. Bis zur Genussreife sollte die bereits ausgefärbte Traube noch einige Zeit am Stock hängen bleiben. Die Pflückreife beginnt Ende September bei
    einer Erntezeit von 4 bis 5 Wochen. Das Beerenfleisch ist fest, der Geschmack mild und fruchtig. Die Sorte stellt eine ideale Sortimentsergänzung im roten Beerensegment dar und kann im Anschluss der Frühsorten Muskat bleu und Nero vermarktet werden. Die Sorte ist stark und aufrecht wachsend bei guter Holzreife. Die guten Fruchteigenschaften und die Robustheit lassen einen hohen Marktwert erwarten. Die späte Reife erfordert eine entsprechend gute Lage.


    Tafeltraube Georg

    Philipp: Die Sorte Philipp stellt aufgrund ihrer spitz zulaufender Beerenform eine Besonderheit dar. Durch die enge Beerenanordnung ohne Schultern erinnert die Traube von der Form her an einen Igel. Die Beeren sitzen relativ fest am Gerüst. Die dunkelblauen Beeren färben sehr gut aus. Die Resistenzeigenschaften gegen Mehltaukrankheiten sind gut, die Sorte zeigt ein kräftiges Wuchsbild (z. B. als Hausrebe). Bei Überreife können die Beeren jedoch leicht platzen, das Beerenfleisch wird mürbe und verliert schnell die Fruchtsäure, daher ist eine rechtzeitige Ernte notwendig. Diese liegt
    zwischen Mitte September bis Mitte Oktober. Der Wiedererkennungswert der sehr dekorativen Traube ist hoch und bietet etwas Exklusives. Sie stellt in erster Linie eine Ergänzung für die Direktvermarktung (z. B. Dekortaube) dar.

    Tafeltraube Philipp

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    Bezugsquelle und Inhaber der europaweiten Sortenlizenz von Katharina, Franziska, Sophie, Georg und Philipp ist die Rebschule Jörg Wolf, Bad Dürkheim-Ungstein Pflanzgut steht voraussichtlich erst ab 2007 zur Verfügung.
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    roséschalig und kernarm:

    Hera: Als praktisch kernlos gilt die ertragreiche Sorte Hera (Züchternummer 14-44), sie hat eine rosa Beerenfärbung, reift mittelspät (Mitte September bis Mitte Oktober), die Beeren sind groß, oval mit fester Beerenschale und saftigem, schmelzigem Fruchtfleisch. Die große Traube ist sehr lockerbeerig. Der Geschmack ist fruchtig-süß. Die Sorte ist zwar nicht pilzfest, ist aber dennoch relativ robust gegen Pilzkrankheiten, Standardbehandlungen reichen aus. Anbauwert hat die Sorte durch die großen ovalen Beeren und die sehr geringe Kernzahl. Sehr ähnlich ist die Sorte Rhea (Z.-Nr. 21-8), die eine zartere Konsistenz der Beere aufweist, ohne dabei zu weich zu werden. Sie hat ebenfalls „leere“ Kerne.


    Tafeltraube Hera


    gelbschalig und kernarm:

    Jakobsberger: Sehr zartes, schmelziges Beerenfleisch mit fester Konsistenz und feinfruchtiges Aroma besitzt die Sorte Jakobsberger. Die großen, hellgelben Beeren sind länglich oval und haben eine weiche Beerenhaut. Jakobsberger ist mittelfrüh in der Reife (Ende August bis Mitte September). Die Traube ist lockerbeerig, die Botrytisanfälligkeit nicht überbetont. Die Sorte zeichnet sich aus, dass sie wenige und weiche Kerne besitzt, diese fallen beim Genuss kaum auf. Der Ertrag ist stattlich, eine frühe Ausdünnung oder die Einkürzung der Gescheine ist in der Regel notwendig. Die Sorte gilt als teilresistent gegen Oidium und Peronospora. Einige frühe Spritzungen sind daher erforderlich. Durch die guten Geschmacks- und Bisseigenschaften der Traube sowie ein attraktives Aussehen kann der Sorte ein hoher Anbauwert zugestanden werden. Als frühe Sorte hat sie sich in Anbauversuchen bereits bewährt.
    Tafeltraube Jakobsberger

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    Bezugsquelle und Lizenzinhaber der Sorten Jakobsberger, Hera und Rhea ist die Rebschule Hermann Jäger in Ockenheim bei Bingen. Pflanzgut steht schon in begrenztem Umfang zur Verfügung.
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    Weitere derzeit getestete völlig kernlose und frühreife Sorten sind Vanessa (rosé, kleinbeerig) und Venus (blau, großbeerig und dickschalig). Beide zeigen einen leichten Hybridgeschmack auf, der aber bei durchgeführten Verkostungen von vielen Verbrauchern als angenehm fruchtig bezeichnet wird und nicht aufdringlich wirkt. Vom Anbau her scheinen beide Sorten gut zu funktionieren, die Erträge sind etwas gering.

    Fazit:
    Bezüglich der Sortenfrage bleibt abzuwarten, wie sich die Aufnahme aussichtsreicher neuer, teils kernloser Sorten in der Praxis und am Markt entwickelt. Die beschriebenen neuen Sorten von Jäger und Wolf wurden erst vor kurzem beim Bundessortenamt angemeldet, größere Anlagen außerhalb der Vermehrungsbetriebe existieren bisher noch nicht.
    Im Gegensatz zum Weinbau geschieht im Obstbau eine raschere Einführung neuerer Sorten und es wird eher in Kauf genommen, dass eine Sorte im Anbau nicht “funktioniert” und vorzeitig gerodet werden muss. Jedoch sind die Erlöse für neue und qualitativ bessere Sorten, z. B. bei Äpfeln, deutlich höher als bei Sorten, die bereits eine Marktsättigung erfahren haben. Trotzdem sollten neue Traubensorten in der Praxis erst im kleinen Maßstab getestet werden und bei guten Anbauerfahrungen und Vermarktungsmöglichkeiten die Fläche dann permanent erweitert werden.
    Sortenvergleiche werden an verschiedenen Lehranstalten für Obst- und Weinbau durchgeführt und der Praxis vorgestellt.


    gerd.goetz@dlr.rlp.de     www.DLR-Rheinpfalz.rlp.de