Fäulevermeidung und Platzfestigkeit der Beeren

Vortrag anläßlich der 52. Kreuznacher Wintertagung 2008

Die höheren Temperaturen im Sommer und Herbst brachten in den letzten Jahren neben einer erfreulichen Steigerung der Mostgewichte auch eine Verfrühung im Auftreten der Traubenfäule. Dabei sind die Jahrgänge 2000, 2002, 2005 und besonders 2006 als Problemjahre für den Riesling zu nennen. Gleichzeitig stellen wir neben Botrytis immer stärker Verderbniserreger wie Essigfäule und Grünfäule (Penicillium spp.) fest, deren Auftreten an Verletzungen der Beeren gebunden ist. Hauptursachen für Wunden an den Trauben sind Fraßstellen durch den Trauben-wickler (zweite und evtl. dritte Generation), Abquetschungen im Inneren von gepackten Trauben und nicht zuletzt das Aufplatzen von reifen Beeren in Nässe-perioden.

Wie kommt das Wasser in die Beere?
Über die physiologischen Vorgänge beim Aufplatzen von Beeren ist bei unseren Rebsorten sehr wenig bekannt. Ursache ist immer eine Erhöhung des Innendrucks im Beerenfleisch als Folge von rascher Wasseraufnahme. An Schwachstellen des Deckgewebes reißt dann die Beerenhaut ein. Deren Festigkeit beruht auf der Elastizität der oberen Zellschichten (Epidermis) und der darüber liegenden Wachshaut (Cuticula). Interessanterweise wird ab dem Weichwerden der Beeren keine weitere Cuticulamasse mehr gebildet. Die Verdickung der Beeren spannt also lediglich die vorhandene Wachshaut ähnlich wie einen Luftballon auf. Die Wasseraufnahme in die reifen Beeren findet übrigens kaum über die Beerenstiele statt, sondern läuft in erster Linie durch die Cuticula, wozu bereits ein dünner Wasserfilm durch nächtliche Taubildung ausreicht.

Aufplatzen: Empfindlichkeit der Rebsorten ?
Wenig ist bekannt über die Platzanfälligkeit der einzelnen Rebsorten im Laufe der Reifeentwicklung. Wir wissen aber, dass die Sorte Dornfelder generell ziemlich platzfest ist. Sortenspezifisch könnten auch Dicke und Struktur von Cuticula und Wachsschicht die Wasseraufnahme von außen beeinflussen. Ebenso könnte eine elastischere Beerenhaut (Reißfestigkeit) für Unterschiede im Platzverhalten verantwortlich sein. Im Weinberg fällt häufig das verstärkte Aufplatzen von Beeren im Monat Oktober auf. Mit zunehmender Reife steigen die Zuckergehalte im Fruchtfleisch an, was prinzipiell über osmotische Effekte die Wasseraufnahme in die Beeren bei Vollreife begünstigen sollte. Aber auch Risse in der stark gedehnten Cuticula der vollreifen Beeren könnten Eintrittspforten für Wasser von außen sein. Interessant wäre es zu wissen, ab welchem Mostgewicht für die einzelnen Rebsorten ein Aufplatzen der Beeren überhaupt möglich ist. Weiterhin sollte man unser Rebsortiment im Zuge des Klimawandels auf die Anfälligkeit gegenüber dem Aufplatzen überprüfen.

Harter Labortest
Um Vergleichswerte messen zu können, muss man eine relativ große Zahl von Trauben untersuchen. Oft platzen innerhalb von 24 Stunden nur 1 -2 Beeren je Traube, wenn man das Material in Wasser einlegt. Fügt man dem Wasser allerdings ein Netzmittel zu, dann beschleunigt sich die Wasseraufnahme und es platzen im gleichen Zeitraum 5-10x mehr Beeren auf. Wir haben daher 2006 sowohl mit, als auch ohne Netzmittel die Traubenproben aus dem Freiland getestet. Dadurch war es möglich, durch Untersuchung von lediglich 20 Trauben je Probetermin und nach einer Tauchzeit von 22 Stunden Aussagen zu treffen. Eine Auswertung erfolgte auf Anzahl der geplatzten Beeren im Vergleich zur Gesamtzahl eingetauchter Beeren. Vor dem Tauchen wurden die Trauben zerteilt, um ein Aufplatzen als Folge von Abquetschungen zu verhindern.

Nässedauer und Aufplatzen
Abbildung 1 zeigt, dass bei Riesling (75°Oe) in reinem Wasser bereits nach etwa 6 Stunden erste Beeren aufplatzten. Mit zunehmender Nässedauer stieg die Zahl geplatzter Beeren stetig an. Noch empfindlicher reagierte die Huxelrebe: Nach 6 Stunden im Wasser waren bei dieser Sorte bereits 6% der Beeren aufgeplatzt. Dieser Vorgang setzte sich ebenfalls stetig fort. Bei Huxelrebe (57°Oe) konnten wir überhaupt die stärkste Neigung zum Aufplatzen unter sämtlichen untersuchten Rebsorten finden.


Abb. 1: Zeitlicher Verlauf des Aufplatzens von Beeren bei Eintauchen in Wasser bei Riesling


Die starke Platzanfälligkeit der Huxelrebe ist sicher eine wichtige Ursache für die hohe Anfälligkeit gegen Botrytisfäule, welche die Gewinnung hochwertiger edelfauler Auslesen bei allerdings beträchtlichem Risiko für Essigfäule ermöglicht.

Aufplatzen und Mostgewicht
Eine Frage, die zur Beurteilung von Witterungsereignissen in Bezug auf Botrytis-gefährdung von Interesse sein kann, ist die Abschätzung der Beziehung zwischen Nässedauer und möglicher Platzrate in Abhängigkeit vom Reifegrad der Trauben. Wir haben dazu eine Reihenuntersuchung bei der Rebsorte Riesling an gesunden Trauben zwischen dem 26. August und 29. September 2006 durchgeführt. Parallel wurden die Proben in Wasser und in Netzmittel angesetzt. Wie Abb. 2 zeigt, trat bei Riesling erst ab etwa 60°Oe ein Platzen auf. Oberhalb von 70°Oe war die Platzrate ziemlich hoch, nahm aber selbst bis in höhere Mostgewichtsstufen kaum zu. Die Streuung der Ergebnisse geht vermutlich auch auf die Witterungsbedingungen zurück. In feuchten Perioden vor der Probenentnahme hatten die Beeren bereits im Freiland vor dem Test Wasser aufgenommen und platzten daher früher. Die Befunde zeigen, dass Riesling im Jahr 2006 auch bei hohen Mostgewichten in der eigentlichen Platzanfälligkeit nicht messbar zugenommen hat. Das massenhafte Aufplatzen der Beeren nach dem 3. Oktober war deshalb wohl eher auf die Zerstörung der Beerenhaut nach erfolgter Botrytisinfektion zurückzuführen.

Abb. 2 Aufplatzrate der Beeren bei der Sorte Riesling am Standort Oppenheim in Abhängigkeit vom Mostgewicht




Ausgehend von einer mittleren Beerenzahl von etwa 80 Beeren/Traube bedeutet dies, dass nach 22 Stunden 2-3 Beeren/Traube bei Mostgewichten zwischen 70 und 80°Oe aufplatzten. Bei Netzmittelzusatz platzten umgerechnet sogar 29-32 Beeren je Traube im gleichen Zeitraum. Epidemiologisch kommt bereits niedrigen Platzraten erhebliche Bedeutung zu, da bereits einzelne verletzte Beeren zur Bildung von Fäulenestern führen können, die sich stetig ausbreiten und auch einen Ausgangspunkt für Essigfäule darstellen.
Ein parallel dazu durchgeführte Untersuchung bei der Sorte Weißburgunder ergab vergleichsweise niedrige Aufplatzraten, die um den Faktor 4-5 niedriger liegen als bei Riesling. Weißburgunder zeigte 2006 allerdings bei Mostgewichten über 90°Oe eine deutlich höhere Platzneigung im Vergleich zu den Proben mit 70-80° Oe. Insofern scheinen sich die Rebsorten nicht gleichartig zu verhalten.

Höhere Temperatur fördert das Aufplatzen
Wie die schmerzliche Erfahrung des Jahres 2006 zeigt, kann im Freiland der Fäulebefall an den Trauben bei Temperaturen um 20°C und ausreichend langen Perioden von Blättnässe oder rel. Luftfeuchten über 90% rasch zunehmen. Andererseits wissen wir, dass in der Regel Trauben, die gesund bis Ende Oktober durchgekommen sind, noch ziemlich lange gesund bleiben. Hier spielen die niedrigen Temperaturen im Spätherbst eine Rolle, welche die Fäulepilze stark im Wachstum hemmen.
Wir haben auch geprüft, inwieweit sich niedrige Temperaturen auf das Platzen der Beeren bei Riesling auswirken. Die Ergebnisse waren ziemlich verblüffend: Sobald die Temperatur des Wassers unter 7°C sinkt, kommt es sogar in Netzmittellösung kaum noch zum Aufplatzen. Möglicherweise wird bei diesen Temperaturen die Wachshaut der Beeren für Wasser nicht mehr passierbar. Die Erhaltung von Rieslingtrauben für eine späte Novemberlese benötigt demnach entweder einen sehr trockenen Monat Oktober oder im Fall von feuchten Bedingungen sehr niedrige Temperaturen.


Welche Rebsorten sind platzfest?
In den Abb. 3 und 4 ist die gefundene Platzneigung für eine Reihe von roten und weißen Rebsorten dargestellt. Die Traubenproben hierfür wurden zwischen dem 8.9. und 21. 9. 2006 für 22 h in Wasser mit Netzmittelzusatz eingetaucht.

Abb. 3: Platzneigung der Beeren bei verschiedenen Weißweinsorten.





Huxelrebe und Riesling erwiesen sich als anfälligste weiße Sorten, während Chardonnay, Sauvignon Blanc und Silvaner eher als weniger anfällig gelten können (Abb.3).

Abb. 4: Platzneigung der Beeren bei verschiedenen Rotweinsorten im Vergleich zu Müller-Thurgau




In der Platzgefährdung lagen St. Laurent und Portugieser ähnlich hoch wie Müller-Thurgau (Abb. 4). Cabernet Sauvignon und Cabernet Dorsa erwiesen sich dagegen als nahezu platzfest. Sehr stabil zeigten sich auch Dornfelder, Merlot, Regent und Spätburgunder (Klon Fr 12L). Bei den Klonen der Sorte Spätburgunder trägt das Abquetschen von Beeren in dichten Trauben vermutlich stärker zum Fäulebefall bei als das Aufplatzen von Beeren.


Zusammenfassung
An 18 Rebsorten wurde 2006 die Platzanfälligkeit der Beeren untersucht. Während die Sorte Huxelrebe bereits unter 60°Oe, gemessen als Durchschnittsmostgewicht der Beeren einer Traube, hohe Aufplatzraten erreichte, wurden die meisten anderen Sorten erst oberhalb dieser Schwelle stärker empfindlich. Bei Riesling waren keine eindeutigen Unterschiede in der Anfälligkeit zwischen Mostgewichten von 72°Oe und 85-90°Oe feststellbar. Weißburgunder ergab gegenüber Riesling eine viel geringere Platzrate, wobei diese Sorte bei Zuckergehalten über 90°Oe eine deutliche Erhöhung der Anfälligkeit zeigte.
Im Vergleich waren Riesling und Huxelrebe die anfälligsten weißen Rebsorten, während Chardonnay, Sauvignon Blanc und Silvaner sich deutlich weniger empfindlich zeigten. Bei den Rotweinsorten platzten der Blaue Portugieser und St. Laurent am stärksten, während Cab. Sauvignon und Cab. Dorsa überhaupt nicht platzten und Dornfelder, Spätburgunder Klon Fr 12L, Merlot und Regent nur ein geringes Aufplatzen zeigten. Bei Temperaturen unter 7°C war kaum noch ein Aufplatzen der Beeren festzustellen. Die Ergebnisse zeigen das zunehmende Risiko für die Traubengesundheit bei der Rebsorte Riesling bei weiter fortschreitender Klimaerwärmung. Demgegenüber können Spätburgunder, Weissburgunder, Chardonnay und Dornfelder als erheblich stabiler eingestuft werden.


Kurzfassung Hill PlatzenBeerenAgrartage.pdf

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