Was bewirken Gärtemperatur und verschiedene oenologische Maßnahmen bei Spätburgunder?

Vortrag von Herrn Jörg Weiand, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Dienstsitz Oppenheim,
anläßlich der 60. Rheinhessischen Agrartage in Nieder-Olm


Einleitung
Deutschland hat nach Frankreich und USA mit 11.820 ha im Jahr 2007 die weltweit drittgrößte Anbaufläche an Spätburgunder. In Rheinhessen waren im Jahr 2008 1.341 ha mit Spätburgunder bepflanzt. Die starke Zunahme der Rotweinfläche, wie auch der Spätburgunderfläche innerhalb der letzten 10 Jahre ist seit 2005 zum Erliegen gekommen, die Flächenanteile bleiben seit 2005 nahezu konstant. Der aktuelle Spätburgunderanteil liegt in den letzten 3 Jahren in Rheinhessen bei etwa 5 % der Rebfläche (16 % der Rotweinfläche), der gesamte Rotweinanteil in Rheinhessen mit 8304 ha bei 31,5 %. Spätburgunder liegt somit flächenmäßig unter den Rotweinsorten an dritter Stelle in Rheinhessen. Im Hinblick auf Imagebildung, Verbraucherwahrnehmung und Profil einer Region dürfte der Spätburgunder dennoch an erster Stelle der Rotweinsorten betrachtet werden.
Die Vermarktung der Spätburgunder Rotweine erfolgte auf Basis der Qualitätsweinprüfungsdaten im Jahr 2007 zu 73 % durch den Handel, zu 3 % durch Genossenschaften/Erzeugergemeinschaften und zu 24 % durch Weingüter.
Der Anstieg der Produktion von Spätburgunder Rotwein wurde demnach nahezu vollständig durch eine Absatzsteigerung im Segment des Handels aufgefangen. Der Absatz im Bereich der Weingüter blieb dagegen innerhalb der letzten 10 Jahre relativ konstant und lag im Jahr 2007 bei etwa 23.500 hl.
Der Anteil der Weingutsweine mit der Geschmacksbezeichnung trocken blieb innerhalb der letzten 10 Jahre relativ konstant bei etwa 60 %. Die Absatzsteigerung im Handel ging vor allem mit einer Zunahme der Segmente halbtrocken und lieblich einher. Zur Imagebildung einer Rotweinsorte tragen beim Verbraucher beziehungsweise bei Weinkennern und Weinjournalisten vornehmlich trockene Weine bei.

Sortenprofil
Der Spätburgunder ist eine Rebsorte mit genetisch bedingt geringer Ausstattung an Anthocyanen. Daher kommt bereits allen weinbaulichen Maßnahmen zur Intensivierung der Ausfärbung eine besondere Bedeutung zu. Dazu gehören unter anderem die Auswahl lockerbeeriger Klone, eine Entblätterung, Ertragsregulierung wie auch die selektive Lese. Diese Maßnahmen zielen zum einen auf eine stärkere Anthocyanbildung in der Beere als auch auf eine Verhinderung der fäulnisbedingten Farbreduktion durch das Enzym Laccase.
Oenologische Maßnahmen verfolgen weiterhin eine stärkere Farb- und Phenolextraktion zum Beispiel durch die Maischeerhitzung, einen Saftentzug, längere Maischegärdauer oder die Erhöhung der Gärtemperatur beziehungsweise der Nachmacerationstemperatur.
Übermäßige Extraktion ist aber zu vermeiden, da der Spätburgunder dann zu hohe Gehalte an farblosen Polyphenolen wie Catechin oder Epicatechin enthält und zu phenolisch, zu adstringierend, zu bitter schmecken kann. Auf eine ausgewogene Extraktion von Anthocyanen auf der einen und farblosen Polyphenolen auf der anderen Seite ist demnach zu achten. Dadurch wird der sauerstoffunterstützten Polymerisation mit dem Ziele der Farbstabilisierung und der Gerbstoffharmonisierung Rechnung getragen.

Spätburgunderweine zeigen Aromen die an Erdbeeren, Beerenfrüchte, mitunter auch Kirscharomen erinnern. Der Einsatz der Maischeerhitzung fördert den fruchtbetonten Spätburgunder-Typ. Der Biologische Säureabbau nach der Gärung trägt weiterhin zur intensiveren Ausprägung dieser Fruchtaromen bei.
Eine zu intensive Barriquenote durch zu hohen Anteil an neuem Holz, kann die Fruchtaromen einseitig überdecken und den Sortentyp verdrängen. Auch eine übermäßige Oxidation während der Lagerung kann die Fruchtaromatik reduzieren.

Versuchsfragen
Bereits seit 2003 wurden am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück verschiedenste weinbauliche wie oenologische Fragestellungen zur Vinifikation des Spätburgunders durch das Oenologenteam bearbeitet. Die Ergebnisse wurden bereits in Veröffentlichungen wie auch im Rahmen von mehreren Seminaren inhaltlich sowie sensorisch durch Verkostung der Versuchsweine dargestellt.
Themen der Versuchsanstellungen waren unter anderem: Entblätterung und Ertragsreduktion im Weinberg im Vergleich mit der Konzentration im Keller durch Saftentzug bzw. Mostkonzentrierung, verlängerte Maischegärdauer, Kaltmaceration bis hin zur Kombination von Maischeerhitzung und Maischegärung im Cuvée von getrennt erzeugten Weinen oder auch als Verfahrenskombination zur gesteigerten Farb- und Tanninextraktion.
Zuletzt wurde auch die Gärtemperatur bei der Maischegärung in Versuchen aus zwei Jahren im Rahmen von 13 Varianten mit einbezogen.


Ergebnisse
Die Intensivierung von Dichte, Körper und Struktur kann sowohl im Weinberg als auch im Keller verfolgt werden. Der direkte Vergleich im Rahmen der Untersuchungen im Jahre 2004 gab der Ertragsreduzierung im Weinberg die sensorische Priorität. Danach wurde der Saftentzug besser als die Mostkonzentrierung durch Umkehrosmose bewertet. Konzentrierung im Weinberg führte zu einer leicht intensiveren Farbe sowie zu deutlich höheren Gesamtphenolwerten als die anderen beiden Varianten.
Die Addition der Konzentrierung im Weinberg mit anschließender Konzentrierung im Keller durch Saftentzug oder Mostkonzentrierung ergab noch deutlich höhere Farbwerte als auch bessere sensorische Beurteilungen.
Die Durchführung einer Mostkonzentrierung ist technologisch deutlich aufwändiger und teurer als die Durchführung eines Saftentzugs.

Eine Steigerung der Extraktion lässt sich auch durch Verlängerung der Extraktionsdauer umsetzen. Dies kann sowohl vor der alkoholischen Gärung in Form einer Kaltmaceration erfolgen oder auch durch eine verlängerte Phase der Nachmaceration.
In den Versuchsjahren 2004-2006 wurde die Kaltmaceration durch Kühlung mittels Trockeneis auf ca. 4 ° C mit in die Untersuchungen einbezogen. Um die Maischekontaktzeit gleich zu halten wurden im Versuchsjahr 2005 4 Tage Kaltmaceration und anschließende Maischegärung von 7 Tagen („4+7“) mit 11 Tagen Maischegärung (incl. ca. 4 Tagen Nachmacerationsphase, „7+4“) mit der Kontrolle von 7 Tagen Maischegärung verglichen.
Sowohl die 11-tägige Maischegärung als auch die Kaltmaceration mittels Flüssig-CO2 und auch der 15%-ige Saftentzug führten bei Spätburgunder zu höheren Gesamtphenolen als auch zu einer intensiveren Farbe. Die Kaltmaceration mittels Trockeneis zeigte nahezu identische Gesamtphenole und Farbsumme wie die Kontrolle.
Alle genannten Maßnahmen wurden sensorisch besser beurteilt (Rangziffer) als die Kontrolle mit 7 Tagen Maischegärung. Die Kaltmaceration zeigte keine Steigerung der fruchtigen Komponenten bzw. der Adstringenz, lediglich das Attribut Körper/Dichte stieg an. Im sensorischen Vergleich mit dem Saftentzug wurden Kaltmaceration und Kontrolle signifikant schlechter bewertet als der Saftentzug oder Kaltmaceration in Verbindung mit vorhergehendem Saftentzug.
Bei Spätburgunder als auch bei Regent, Dornfelder und St. Laurent wurden sowohl Kaltmaceration als auch 11 Tage Maischegärung signifikant besser als die Kontrolle bewertet, ein Unterschied zwischen Kaltmaceration und 11 Tagen Maischegärung ergab sich allerdings nicht.
Die bessere Bewertung ging einher mit einer Steigerung der Fruchtigkeit und dem Attribut Körper/Dichte. Eine Kaltmaceration („4+7“) war somit bei allen Versuchen des Jahres 2005 mit zusätzlichem Kostenaufwand verbunden (ca. 10 Cent/Liter), eine qualitative Steigerung gegenüber gleich langer Maischekontaktzeit („7+4“) von 11 Tagen ergab sich nicht.

Eine Verlängerung der Nachmacerationsphase auf insgesamt 14 Tage Maischekontaktzeit führte zu mehr Farbe und Gesamtphenolen, die Weine wurden sensorisch besser als nach 7 Tagen Maischegärung bewertet.
Die stärkere Extraktion der alkohollöslichen, farblosen Phenole führte z.B. zu deutlich mehr Catechin aber nicht zu einer deutlichen Steigerung der monomeren Anthocyane. Dennoch war eine intensivere Farbe messbar, da die höhere Phenolkonzentration zu einer stärkeren Polymerisation von Anthocyanen und Phenolen und damit einer Stabilisierung der Farbe führte.
Diese Farbvertiefung kann der Einsatz von Sauerstoff durch Holzfaßlagerung oder Mikrooxigenierung noch verstärken. Weine nach 14 Tagen Maischegärung und einer Mikrooxigenierung durch 4 mg/l*Monat, 1,5-2 Monate lang dosiert, zeigten eine leicht intensivere Farbe wie auch eine sensorisch bessere Beurteilung als die Variante ohne Mikrooxigenierung im frühen Weinalter bis zu 1,5 Jahren. Bei späteren Verkostungen war aufgrund der fortgeschrittenen Flaschenreife kein sensorischer Unterschied mehr zu erkennen.

Der Saftentzug von 10-15 % vor Beginn der Maischegärung ist ein einfaches und probates Mittel zur Steigerung von Körper, Dichte und Komplexizität als auch der Farbe. Der Saft lässt sich farbintensiveren Basisweinen zugeben, oder kann zur Weißherbstbereitung (unter Verschnitt mit 50 % einer weiteren Weißherbst-Preßmost-Partie) Verwendung finden. Diese Maßnahme ist kostengünstiger und einfacher durchzuführen als Kaltmaceration oder Erwärmung gegen Gärende. Gleichzeitig hat sie in den Versuchen von 2004/2005/2006 die beste sensorische Beurteilung erfahren. Der Saftentzug führte weiterhin zu einer intensiveren Phenolextraktion als auch zu einer Farbintensivierung.
Bei einem extremen Saftentzug von 30 % wird das Untertauchen des Maischehuts bereits ein Problem. Solche Weine eignen sich allerdings bei nicht allzu langer Maischegärung gut als Verschnittpartner zu strukturschwächeren, fruchtigeren Weinen nach Maischerhitzung oder nach Kernaustrag.

Kernaustrag
Spätburgunder zeichnet sich durch hohe Gehalte an Catechin aus, so dass eine Überextraktion auch negative Einflüsse haben kann. Daher liegt es nahe, neben der oxidativen Phenolreduktion auch die Extraktion von Catechin zu begrenzen. Eine Entfernung der Traubenkerne ca. 3 Tage nach Gärbeginn führt zu deutlich geringerer Extraktion von bitteren, harten Polyphenolen (z. B. Catechin, Epicatechin). Der Kernaustrag erscheint allerdings nach den bisherigen Versuchserfahrungen nur sinnvoll bei Spätburgunder-Weinen in Verbindung mit einer langen Maischegärdauer deutlich über 14 Tage. Bei kürzerer Maischegärdauer führte der Polyphenolmangel zu einer Farbreduktion gegenüber der Kontrolle ohne Kernaustrag. Die Weine wurden als zu glatt und sensorisch schlechter als die Kontrolle beurteilt.


Gärtemperatur
Immer mehr Betriebe sind mit Gärtanks mit Wärmetauschern ausgestattet, so dass auch eine gezielte Temperatureinstellung während der Maischegärung umsetzbar wird. Daher wurden seit 2007 auch Versuche mit verschiedenen Gärtemperaturen während bzw. nach der Gärung einbezogen.

Eine Steigerung der Gärtemperatur führt zu höherer Hefeaktivität und somit zu schneller Vergärung. Der dadurch stärkere Verlust an Alkohol wird in geschlossen Gärtanks deutlich weniger relevant als bei offener Maischegärung, z. B. in Bütten.

Höhere Temperaturen führen zu schnellerer und intensiverer Extraktion von Anthocyanen als auch Polyphenolen (s. Abb. 1). Gleichzeitig fördern höhere Temperaturen die Polymerisation in diesem frühen Stadium.


Abb. 1:
Verlauf der Konzentrationen von Catechin (mg/l) und Summe der Anthocyane (mg/l)
im Ablaufwein der ersten 7 Gärtage in Abhängigkeit von der Gärtemperatur, Spätburgunder 2007

Höhere Temperaturen können auch durch aktive Anhebung zur intensiveren Nachmaceration genutzt werden. Dabei ist allerdings auf eine intensive Temperaturkontrolle und Homogenisierung der Maische zu achten. Solange der Maischekuchen auf der Oberfläche schwimmt, besteht durch Gäraktivität im Jungwein eine gute Wärmeleitfähigkeit, in dieser Phase besteht eine relativ homogene Temperaturverteilung. Sinkt der Maischekuchen gegen Gärende langsam nach unten, reduziert die Maische die Wärmeleitfähigkeit deutlich. Bei Anwärmung durch die seitlichen „Pillow-plates“ entstehen dann deutliche Temperaturunterschiede innerhalb der Maische. Temperaturmessungen sollten daher an mehreren Stellen erfolgen, was technologisch in einem Gärtank nicht einfach umzusetzen ist.

Bei der Kelterung ist nach Maischeanwärmung gegen Ende auf erneutes Abkühlen der Maische auf 20 ° C zu achten. Ansonsten entstehen beim Maischeaustrag und Aufschütten auf die Kelter nicht unerhebliche Alkoholverluste, die durchaus 1 Vol.% betragen können.

Ab 35 ° C Gärtemperatur traten in unseren Versuchen allerdings mehrfach Gärstörungen auf, da die hohen Temperaturen in Verbindung mit dem vorhandenen Alkohol zu einem Absterben der Hefen führen kann. Dies konnte auch bei zu früher aktiver Anhebung der Gärtemperatur zum Gärende beobachtet werden. Noch vorhandener Restzucker musste dann durch erneuten Gäransatz bei 20 ° C vollständig vergoren werden. Bei der Gärführung mit aktiver Hefe sind demnach Temperaturen unter 35 ° C anzustreben.

Spätburgunder-Weine mit 20 ° C Maischegärtemperatur wiesen in beiden Versuchsjahren deutlich weniger Farbstoffe als auch Gesamtphenole auf als die Weine, die bei höherer Temperatur vergoren wurden. Mit zunehmender Gärtemperatur (25,30,35 ° C) stiegen sowohl die Gehalte an Anthocyanen als auch die der Polyphenole an. Die Zunahme bei den Anthocyanen zwischen 20 und 30 ° C Gärtemperatur betrug nur 25 % der Konzentration, die der im HPLC bestimmbaren Polyphenole allerdings mit 50 % das Doppelte.

Die Vergärung bei 20 ° C wurde sensorisch signifikant schlechter als die Vergärung bei 25 ° C beurteilt (Rangziffermethode). Eine Differenzierung zwischen 25 ° C und 30 ° C war sensorisch nicht abzusichern.

Fazit
Spätburgunder steht mit etwa 5 % Flächenanteil an dritter Stelle der Rotweinrebsorten in Rheinhessen. Im Hinblick auf Imagebildung, Verbraucherwahrnehmung und Profil einer Region dürften trockene Spätburgunderweine dennoch an erster Stelle der Rotweinsorten betrachtet werden.

Zur Steigerung von Körper, Dichte und Komplexizität wie auch der Farbe liefern weinbauliche ertragsreduzierende und gesundheitsfördernde Maßnahmen die Voraussetzung.
Als weiteres einfach durchzuführendes oenologisches Mittel ist der Saftentzug von 10-15 % als erstes zu nennen. Eine Verlängerung der Maischekontaktzeit ist auch aus Kostengründen einer Kaltmaceration vorzuziehen. Starker Phenolextraktion kann durch die oxidativen Reduktion in Form eines Abstichs über Luft, der Holzfaßlagerung oder einer Mikrooxigenierung begegnet werden. Diese Maßnahmen führen bei Abwesenheit von SO2 auch zur Farbstabilisierung. Der Einsatz des Kernaustrags zur Phenolreduktion ist erst bei Maischekontaktzeiten deutlich über 14 Tagen in Erwägung zu ziehen.

Bei Gärtemperaturen um 20 ° C wird Extraktionspotential verschenkt, die Temperaturen sollten allerdings auch unter 35 ° C liegen, um Gärstockung zu vermeiden. Gärtemperaturen zwischen 25 und 30 ° C führten bisher zum besten Ergebnis.

Erhöhte Nachmacerationstemperaturen nach Gärende bis 35 ° C steigern die Extraktion vor allem von Phenolen, in geringerem Umfang auch von Anthocyanen und führen zu einer Farbvertiefung. Rückkühlung der Maische auf 20 ° C vor der Kelterung ist zur Vermeidung von Alkoholverlusten notwendig.


Weiand _Spätb_Agrartage_2009.pdf

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