Die Handausdünnung ein absolutes Muß! (11/04)

Der Apfelmarkt gerät in den letzten Jahren zunehmend unter Druck. Jährlich wird mit Rekordernten gerechnet. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren wohl wenig ändern. Was sich ändern kann, ist die Qualität des erzeugten Produktes, denn für eine optimale Vermarktung braucht man auch ein optimales Produkt.

Warum muß ausgedünnt werden?
Die Handausdünnung nach dem Junifall dient in erster Linie der Qualitätsverbesserung der Äpfel. Die alternanzbrechende Wirkung einer frühen chemischen oder mechanischen Ausdünnungsmaßnahme kann durch die Handausdünnung nicht erreicht werden. Jedoch kann diese Maßnahme die Alternazbrechung oder –minderung verbessern wie aus der Abb. 1 abzulesen ist. Hier haben die Handausdünnungsmaßnahmen in einem Versuch mit der Sorte Elstar aus dem Jahre 1997 die Blühstärke im Folgejahr um 1 bis 2 Punkte verbessert. Diese Feststellung wird auch in der Praxis häufig beobachtet.



Abb. 1: Auswirkung der Handausdünnung nach chemischer Ausdünnung auf die Fruchtgewichte bei Elstar

Mit der gezielten Handausdünnung erreicht man folgende positiven Effekte:
  • bessere Fruchtgröße
  • höheren Deckfarbenanteil durch besseres Blatt-/Fruchtverhältnis
  • mehr Fruchtinhaltsstoffe wie z.B. Zucker, Säure
  • höhere Fruchtfleischfestigkeit
  • bessere Ernteleistung, weil größere Früchte
  • weniger Lager- und Sortierkosten, weil bessere Ausnutzung von Kisten und Kühllägern
  • bessere Sortierergebnisse, weil weniger kleine Früchte, dadurch höhere Leistung

Was wünscht sich der Markt?
Wenn wir die Verkaufsleiter der Erzeugermärkte fragen, welche Fruchtgrößen aus ihrer Sicht als optimal anzusehen sind, so bekommen wir die in der Tab. 1 dargestellten Größen genannt. Übergrößen, aber auch zu kleine Früchte, schaffen in der Vermarktung Probleme. Besonders gravierend sind die Mindererlöse für die Obstbauern. Als Beispiel darf ich hier die Preise für `Gala´ der letzten Jahre nennen. Die Größensortierung 65 - 70 mm wurde mit etwa 70,-- DM je 100 kg und die Größen 70 - 75 mm mit rund 120,-- DM je 100 kg notiert. Diese Erfahrung ist sicherlich nicht nur auf die letzten Jahre beschränkt. Im Jahre 1998 war dies noch gravierender und vor allem bei allen Sorten festzustellen.



Tab. 1: Bezeichnungen zwischen Fruchtdurchmesser, Fruchtgewicht und Fruchtzahl je kg und
die Auswirkungen auf die Stückzahl je Baum bei unterschiedlichen Pflanzdichten

In der Tabelle ist der Versuch gemacht worden, die für die Praxis relevanten Daten zusammenzufassen. Neben der für den Markt optimalen Fruchtgröße, kann in Zusammenhang mit dem angestrebten Ertrag die Anzahl Äpfel je Baum bei einer bestimmten Pflanzdichte abgelesen werden (Abb 2).


Abb 2: Einfluß verschiedener Ausdünnungsmaßnahmen auf die Fruchtzahl, das Fruchtgewicht und
die Blühstärke bei der Sorte Elstar

Als Beispiel soll hier die Sorte ‘Elstar’ angeführt werden. Bei einem angestrebten Ertrag von 30 000 kg und einer Pflanzdichte von 3000 Bäumen (3,00 x 1,00 m) dürfen maximal 70 Äpfel pro Baum hängen, um die optimale Fruchtgröße zu erreichen. Andererseits kann aber auch die Alternanzgefahr vermindert werden. Sollten andere Pflanzdichten vorliegen oder andere Erträge erzielt werden, so sind die Zahlen in der Tabelle einfach auszutauschen.
Mittlerweile wurden die Größen 75 – 80 mm bei den allermeisten Sorten angestrebt.

Handausdünnung: Wann und wie?
  • bei Problemsorten so früh wie möglich, d.h. vor dem Junifall.
  • nach dem Junifall muß jeder Apfel in die Hand genommen werden.
  • im Juli zweiter Durchgang (Fruchtgrößenverbesserung)
  • Anfang August Auslese, Qualitätsverbesserung

Ausgedünnt werden in der Regel:
  • Früchte am einjährigen Holz;
  • Beschattete grüne Früchte (auch schon im Juni/Juli erkennbar);
  • zu kleine Früchte am 2- und 3-jährigen Holz;
  • verletzte oder verkrüppelte Früchte.
  • Schorfäpfel
  • Hageläpfel

Oberster Grundsatz bei der Ausdünnung ist: Zählen, zählen und nochmals zählen. Dies gilt nicht nur für diejenigen, die die Äpfel auspflücken, sondern insbesondere auch für die Betriebsleiter, die ihre Arbeitskräfte unterweisen und die Arbeit kontrollieren.

Warum ist das Zählen nötig?
Bei Arbeitszeitstudien durch H. R. Rohlfing, SLVA Oppenheim, und M. Wicke, SLVA Ahrweiler-Mayen, konnte festgestellt werden, daß für das Abflücken eines Apfels bei der Handausdünnung eine Arbeitszeit von 0,025 Minuten erforderlich sind. Hiermit läßt sich errechnen, wieviel Zeit für die Handausdünnung erforderlich ist.

Bei einer Beispielspflanzung mit einer Pflanzdichte von 2.500 Bäumen pro ha kann folgender Rechenweg hilfreich sein. Für das Abpflücken eines Apfels vom Baum und das Wegwerfen des Apfels in die Fahrgasse benötigt man 0,025 Minuten. Der Beispielsbaum hatte 250 Früchte nach dem Junifall. Für einen Ertrag von 30 to benötigen wir 80 Äpfel pro Baum bei einer unterstellten Fruchtgröße von 70 – 75 mm. Folglich müssen wir 170 Äpfel entfernen. Diese 170 Äpfel verursachen einen Zeitaufwand von 4,3 Minuten pro Baum oder rund 177 Stunden pro ha.

Als Faustzahl für die Praxis kann folglich gesagt werden:
“1 Apfel pro Baum von Hand ausdünnen verursacht bei ca. 2500 Bäumen je ha einen Arbeitsaufwand von rund 1 Stunde je ha”

Mit Hilfe dieser Zahl kann der Praktiker relativ gut den Arbeitszeitbedarf kalkulieren, wenn er selbst ein paar Probebäume gedünnt hat. Darüber hinaus hat der Obstbauer einen guten Überblick über seine Anlagen und kann die Arbeitskräfte besser kontrollieren.

Zählen, nach wie vor sehr wichtig!
Bei der Apfelernte sprechen wir immer von kg je Baum oder ha. Richtiger müßte es heißen, wir ernten Stück Äpfel. Wenn wir nun unterstellen, daß die chemische Fruchtausdünnung nicht voll befriedigt hat, so ist eine Handausdünnung unumgänglich, um die gewünschte Stückzahl Äpfel pro Baum zu erhalten. Bei der Handausdünnung steht man häufig vor den Bäumen und weiß nicht recht, was zu tun ist. Hier hilft nur eines: “Zählen, zählen und nochmals zählen”. Nur so bekommt man ein Gefühl dafür, wieviel Äpfel pro Baum vorhanden sind und wieviel noch heruntergeworfen werden müssen. Als Hilfe kann die Tabelle 1 herangezogen werden.

Rechenbeispiel
Um die Vorgehensweise etwas zu vereinfachen, soll hier ein Rechenbeispiel für Gala angeführt werden:


Angestrebter Ertrag in kg: 30.000
Bäume je ha:2.500
Rechnung:30.000 kg/ha : 2.500 Bäume/ha = 12 kg je Baum
Fruchtgröße:70 – 75 mm = 160 g je Frucht = 6 Früchte je kg
Früchte je Baum:12 x 6 = 72 Stück
Ergebnis
Für die Fruchtgröße 70 – 75 mm benötige ich 72 Äpfel pro Baum, um bei 2.500 Bäumen je ha 30.000 kg Gala zu ernten. Sicherlich ist dies eine Modellrechnung, die jedoch hilfreich sein kann. Für andere Pflanzabstände oder Ernteerwartungen kann jeder Praktiker sich selbst die eigenen Zahlen einsetzen.

Wie es jedem bekannt sein dürfte, kommt der Fruchtausdünnung - ob chemisch oder/und von Hand - eine große Bedeutung zu. Nach dem Junifall muß jeder Apfel in die Hand genommen werden.
Je später dies geschieht, umso negativer sind die Einflüsse auf die Qualität und die Blütenansätze für das nächste Jahr. Nicht ausgedünnte Bäume verursachen hohe Ernte- und Lagerkosten bei vollen Kisten und haben niedrige Erlöse zur Folge. Die Handausdünnung geht wesentlich schneller über die Bühne als die schonende Ernte. Die aufgewendeten Kosten zahlen sich immer aus.

Aus einem Ausdünnungsversuch (siehe Abb. 1) des Jahres 1997 läßt sich deutlich ablesen, daß die Handausdünnung immer einen positiven Einfluß auf die Fruchtgröße hat, unabhängig von den vorausgegangenen chemischen Behandlungen. Dies fällt besonders bei kleinfrüchtigen Sorten und mehrmaligem Durchpflücken auf.

Welchen Nutzen bringt das Zählen dem Praktiker?
  • Frühzeitiges Erkennen des Arbeitskräfte-Bedarfs, wenn er selbst einige Probebäume zählt und ausdünnt.
  • Gezielter Einsatz der Aushilfskräfte, dadurch Einsparung von Zeit und Geld
  • Bessere Kontrolle der Arbeit und der Arbeitsleistung
  • Optimale Fruchtgrößen bei guter Arbeitserledigung, dadurch bessere Sortierergebnisse (siehe Abb. 3)
  • Schnellere Ernte




Abb 3: Einfluß verschiedener Ausdünnungsmaßnahmen auf den Ertrag und
die Blühstärke im Folgejahr bei der Sorte Elstar

Fazit für die Handausdünnung

Ziel der Handausdünnung muß es immer sein, eine bestimmte Zahl an Früchten je Baum zu haben, um einerseits die Qualität der Früchte zu verbessern, zum anderen aber auch der Alternanz entgegenzuwirken. Abhängig vom Pflanzsystem, Baumalter und Sorte muß auf den Optimalertrag ausgedünnt werden.

Aus der Erfahrung und vielen Versuchsergebnissen ergibt sich für alternanzgefährdete Sorten folgende Faustregel:
“Nur weniger als 7, besser 6 Früchte je laufenden Meter Fruchtholz nach Mitte Juni haben einen positiven Einfluß auf optimale, regelmäßige Erträge.”