![]() | ![]() | ![]() |
![]() | ![]() | ![]() |
Weinanbau |
||||||||||||||||||||||
![]() Alles Handarbeit? – Dank einer Vielzahl an bereits durchgeführter Flurbereinigungsverfahren besonders in den Steillagen des Anbaugebietes Mosel konnten viele Hektar Weinberge, die einst nicht mal eine Zuwegung aufwiesen, so erschlossen werden, dass diese nun mechanisierbar sind. Für den Schmalspurschlepper zu steil arbeiten hier vorwiegend Raupen- und Steillagen-Mechanisierungssysteme, sogenannte RMS und SMS. Nichts desto trotz finden sich von den gut 3.300 ha in Steil- und Steilstlagen ein nach wie vor nicht unerheblicher Anteil an Weinbergen, die noch nicht mechanisiert wurden oder aufgrund ihrer Topografie und Standortgegebenheiten nicht mechanisiert werden können. Ein aktuell gutes Beispiel zeigt der Ürziger Würzgarten mit einer zusammenhängenden Rebfläche von rund 56 ha auf. Wo in RMS- und SMS-fähigen Weinbergen bis auf Rebschnitt und Biegen alle Weinbergsarbeiten maschinell bewerkstelligt werden können, sind in den „Handarbeitslagen“ sogar alle Laubarbeiten von Hand zu vollziehen. Lediglich die Bodenbearbeitung kann je nach Zuwegung und Zeilenausrichtung bzw. Mauern im Weinberg mittels per Seilwinde gezogenem Pflug in Angriff genommen werden. Zudem erleichtert überall dort, wo kein maschineller Einsatz möglich ist, der der Hubschrauber die Pflanzenschutzmaßnahmen. Alternativ bleibt in diesen Flächen nur die bodenbürtige Spritzung mit der Schlauchleitung. Zukunftsperspektivisch wird angestrebt, den Hubschrauber durch den wesentlich flexibleren Einsatz von Sprühdrohnen zu ersetzen, was am DLR Mosel in Versuchsflächen bereits seit einigen Jahren erforscht wird. Betrachtet man sich das Extrembeispiel Einzelpfahlerziehung in nicht mechanisierten oder nicht mechanisierbaren Moselterrassen, so kommen unter Berücksichtigung der standardmäßigen Arbeiten am Rebstock sowie Boden-, Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen sowie sonstigen Bestandsarbeiten im Extremfall bis zu 2.000 Arbeitskraftstunden (Akh) pro Hektar und Jahr zusammen. In der Regel liegt die Anzahl für eine Standardbewirtschaftung von Steillagenweinbergen in Einzelpfahlerziehung bei ca. 1040 Akh/ha und Jahr, wobei der bereits inkludierte Anteil für die Lese auf ca. 300 Akh/ha angesetzt ist. An dieser Stelle hebt sich der Vorteil der RMS- bzw. SMS-Bewirtschaftung hervor, die inklusive Handlese gerade mal ca. 460 Akh/ha und Jahr beansprucht – eine Zeitersparnis von rund 55 %. Im Einzelnen aufgeführt ergeben sich beispielhaft für das Extrembeispiel Moselterrasse im Einzelpfahl bei einem Standraum von 1,2 x 1,2 m, die weder durch Wege noch durch Monorakbahnen erschlossen sind, Pflanzenschutzmaßnahmen standardmäßig mit dem Hubschrauber bewerkstelligt werden (zuzüglich zwei bodengestützten Handspritzungen), folgende Akh/ha und Jahr: Tabelle 3: Arbeitszeitbedarf Moselterrasse im Einzelpfahl
Das Hauptaugenmerk in Sachen Arbeitskraftstunden ist beim Winzer stets auf die Traubenlese gerichtet. Insbesondere in Zeiten sich verändernder klimatischer Bedingungen, die tendenziell frühere Reifephasen der Trauben unter höheren Temperaturen mit sich führen, welche nicht nur von sonnigem Hochdruckwetter begleitet werden, sondern auch in ein feucht-warmes Extrem ausufern und somit einen gefährlichen „Cocktailmix“ für die mitunter empfindlichen Beerenhäute darstellen können, ist eine hohe Schlagkraft bei der Lese stets mit einzukalkulieren. Geht man bei der Handlese von ca. 250 – 300 Akh/ha aus, was noch deutlich unterhalb des zuvor aufgeführten Extremrechenbeispiels der Moselterrasse liegt, und vergleicht diese Stunden mit der Schlagkraft eines Traubenvollernters, der 2,5 – 3,0 Akh/ha für die Lese im Direktzug benötigt, muss man nicht studiert haben, um Nutzen und Notwendigkeit der Technik im Weinbau hervorzuheben. Die größte Errungenschaft der vergangenen Jahre war und ist, vor allem für die Moselwinzer, der Steillagenvollernter. Dieser findet seinen Einsatz in mechanisierbaren Seilzuglagen und kann in sechs Stunden einen ganzen Hektar lesen – eine wahre Meisterleistung und die Rettung vieler Weinberge entlang der Mosel – besonders bei zunehmendem Mangel an Saisonarbeitskräften oder den vermehrt auftretenden „Turboherbsten“, wie wir sie besonders stark ausgeprägt in 2013, aber in Teilen auch in 2006, 2014, 2017, 2019 und 2020 erleben mussten. Betrachtet man sich nun die zuvor bereits aufgeführten Arbeitskraftstunden für eine Standardbewirtschaftung in der Steillage mittels RMS- oder SMS-Technik und ersetzt die Handlese durch den Einsatz des Steillagenvollernters, so dezimiert sich die jährliche Arbeitszeit von ca. 460 auf rund 235-240 Akh/ha. ![]() Neben den arbeitswirtschaftlichen Aspekten der Steillage bieten diese jedoch auch Vorteile gegenüber Flach- und Hanglagen. An erster Stelle ist hier das Mikroklima zu nennen, das in den Steillagen der Mosel besonders mosaikreich ausgeprägt ist. Durch die Hangneigung weisen die Weinbergsböden eine bessere Ausrichtung zu Sonneneinfallswinkel auf, was zwangsläufig eine höhere Strahlungsintensität und somit höhere Temperaturen im Vergleich zu ebenen Flächen zur Folge hat. Ist eine Parzelle aufgrund ihrer Geländegegebenheiten windgeschützter, nach Süden exponiert und/oder durch etablierte Terrassen, Mauerwerke oder Felsvorsprünge klimatisch begünstigt, spiegeln sich die Entwicklungs- und Reifevorsprünge gegenüber vielen Flach- und Hanglagen je nach Höhenlage deutlich wider. Fluch oder Segen der Steillagen? Fragt man alteingesessene Winzerinnen und Winzer an der Mosel, wie sie die klimatischen Vorteile der Steillagen bewerten, würde eine sehr hohe Rate diese klar befürworten. Doch in Zeiten sich verändernder klimatischer Bedingungen, zu nennen zunehmende und länger andauernde Hitze- und Trockenperioden, womöglich in Verbindung mit feucht-warmen Bedingungen während der Reifephase und Traubenlese, können sich vermeintliche Vorteile in Übermaßen auch negativ auf die Traubengesundheit auswirken. Zudem stellt die erhöhte Belastung hoher UV-Strahlung, die besonders in sonnenexponierten und höher temperierten Lagen ein verstärktes Auftreten von Sonnenbrandschäden verursacht, ein nicht unterschätzbares qualitatives Problem dar. Enorme Sonnenbrandschäden waren vor allem in 2019 flächendeckend im Anbaugebiet zu verzeichnen. Abseits abiotischer Beeinträchtigungen am Rebstocke spielt das Erosionspotential vieler Böden in Stiel- und Steilstlagen, das sich in den vergangenen Jahren durch zunehmende Starkniederschlagsereignisse, aber auch den vermehrten Einsatz von schweren Gerätschaften, verstärkt hat. Nur durch eine sach- und fachgerechte Bodenpflege mit standortangepassten Begrünungen ist diesem Problem weitestgehend und nachhaltig entgegenzuwirken. Um auch in Zukunft unseren Moselriesling nach gewohntem Charakter und gewünschter Qualität anbauen und produzieren zu können, ist ein umfängliches und stets zukunftsorientiertes weinbauliches Know-How der Winzerschaft gefragt. An dieser Stelle kommt das DLR Mosel ins Spiel, das sich versuchs- und beratungstechnisch zunehmend den nur schwer kalkulierbaren klimatischen Herausforderungen annehmen muss. Nachhaltigkeit Nicht nur den Reben, auch der übrigen Flora und Fauna bieten die Steilhänge, insbesondere kleinstrukturierte Terrassenlagen sowie Querterrassen mit eingebetteten Böschungen, Weinbergsmauern, Felsvorsprünge, offen gehaltene Wirtschaftswege und (ordnungsgemäß gerodete) Brachen einen idealen Lebensraum. Oberstes Ziel ist hier das „Aufbrechen“ der Monokultur Weinbau. Begriffe wie Artenvielfalt und Biodiversität begleiten unsere Weinbauregion schon viele Jahre und bedürfen der konsequenten und nachhaltigen Umsetzung sowie Förderung. Tier- und Pflanzenwelt können sich durch unser Handeln wieder erholen, ausweiten und in ihrer Artenanzahl wachsen. Auch unsere Kulturlandschaft sowie die Weinbaubranche stehen in einem ganz anderen Licht und zeigen auf, dass die Winzer Umweltprobleme ernst nehmen und alles daran setzen, nicht gegen sondern mit der Natur zu arbeiten. Neben dem Schaffen von Habitaten zur natürlichen Förderung der Artenvielfalt setzen Winzer auch in Steillagen vermehrt auf gezielte artenreiche Begrünungseinsaaten, die wiederum Lebensräume insbesondere für Insekten schaffen und sowohl Populationsstärken als auch die Anzahl verschiedener Arten positiv verändern. Typische „Bewohner“ der Moselsteilhänge sind unter anderen der Apollo-Falter, der vor allem an felsigen Südhängen und alten Weinbergsmauern lebt, die Mauereidechse, deren Lebensraum sonnenexponierte und warme Trockenmauern sowie Steinhaufen sind und nicht zu vergessen die Weinbergsschnecke sowie Schlingnatter. Durch eine Vielzahl an Flurbereinigungsverfahren in der Vergangenheit mit dem Ziel der Mechanisierung, Flächenvergrößerung und Flächenintensivierung, wurden mosaikreiche und heterogen geprägte Landschaftsstrukturen zerstört. Glücklicherweise ist dieser Irrweg insbesondere seit den 2000er Jahren mehr und mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft und folglich auch der Winzer gerückt, sodass im Rahmen von Bodenordnungsverfahren der Erhalt oder die Umstrukturierung bzw. Neuschaffung von vielfältigen Habitaten für Flora und Fauna Berücksichtigung finden und beworben werden kann. Die im Rahmen der Regionalinitiative Mosel Ende 2013 ins Leben gerufene Initiative „Lebendige Moselweinberge“ hat bisher viele Projekte ins Rollen gebracht, die Winzer über die Notwendigkeit für mehr Biodiversität sensibilisieren und durch aktive Öffentlichkeitsarbeit Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und besonders bei den Touristen hervorrufen sollen. ![]() Bezieht man sich auf die zuvor aufgeführten Arbeitskraftstunden pro Hektar und Jahr am Extrembeispiel der klassischen Moselterrassen mit Einzelpfahl-Bestockung und fast ausschließlicher Handarbeit, mit Ausnahme von Pflanzenschutzmaßnahmen per Hubschrauber, so ergeben sich bei einem angenommenen Stunden-Bruttolohn von 12 Euro bei ca. 2.000 Akh/ha 24.000 Euro/ha und Jahr. Rechnet man nun noch den Hubschrauber-Einsatz oben drauf, der sich gegenwärtig auf ca. 2.200 Euro/ha für acht Behandlungen und Mitteleinsatz beläuft, kommt man summa summarum auf gute 26.000 Euro/ha und Jahr. Hier sind bis auf die Pflanzenschutzmittel des Hubschraubereinsatzes noch keine Material- und Betriebskosten mit inbegriffen, geschweige denn die Kosten der Traubenverarbeitung sowie Weinbereitung. Geht man von einem Ertrag von 10.000 kg/ha aus, was für eine Steillage im Mittel schon recht hochgegriffen ist, lägen die reinen Kosten der Traubenproduktion bei den zuvor veranschlagten 26.000 Euro/ha bei 2,60 Euro/kg Trauben. Ist der Winzer nun auf einen Traubenverkauf, Traubenmostverkauf oder die Fassweinvermarktung angewiesen, die Preise liegen hier oftmals bei lediglich 1 Euro/kg Trauben bzw. 1,20 - 1,50 Euro/Liter Wein, zeigt sich das Dilemma, das viele Weinbaubetriebe an der Mosel ereilt, die über keine oder eine nur unzureichende Flaschenweinvermarktung verfügen oder gezielt Trauben für flaschenweinvermarktende Betriebe erzeugen. Darüber hinaus ist im Falle einer Neu- oder Wiederbepflanzung eines Weinberges eine teils erheblich längere Aufzuchtphase notwendig bis die Rebstöcke einen normalen Traubenertrag hervorbringen, als dies in Direktzuganlagen der Fall ist. Kann man im Idealfall in Direktzuganlagen an günstigen Standorten im dritten Jahr bereits volle Erträge einfahren, zieht sich dies unter ungünstigen Bedingungen in Terrassenlagen durchaus auf fünf bis zehn Jahre hin. Insbesondere in Zeiten sich ändernder klimatischer Bedingungen ist dieser Faktor nicht zu vernachlässigen. Keine beneidenswerten Jungfeldjahre waren zuletzt die Jahre 2018 bis 2020, die von extremen Trockenstressbedingungen und teils markanten Hitzeperioden gezeichnet waren. Wer hier nicht über das ausreichende „Know How“ von Boden und Wasserhaushalt verfügt und zielgerichtete Maßnahmen ergreift, benötigt mitunter einen langen Atem bis zum Erreichen einer ordentlichen und weitestgehend lückenfreien Ertragsanlage. ![]()
Abbildung 8: Rebphänologische Daten von 1952 bis 2020
Der Klimawandel ist im vollen Gange und macht auch vor dem Weinbau an der Mosel nicht halt. In obiger Abbildung sind die rebphänologischen Daten seit 1952 abgebildet. Da die Rebe in ihrer Entwicklung maßgeblich temperaturgesteuert ist, können aus den Daten der Phänologie, also der Zuordnung der Entwicklungsstadien zu den jeweiligen Kalendertagen des Jahres, Rückschlüsse auf di Entwicklung der Temperaturen geschlossen werden. Zur Erklärung der Abbildung: Auf der y-Achse stehen die Kalendertage der Vegetationsperiode vom 1.4. bis Ende November. Auf der x-Achse die Jahrgänge seit 1952. Abgebildet werden die vier Entwicklungsstadien „Austrieb“, „Blüte“, „Reifebeginn“ und „Erntebeginn“ der Rebsorte Riesling in jeweils einer unterschiedlichen Farbe. Die jeweilige Kennlinie werden nach unten bzw. oben in gleicher Farbe vom jeweils frühesten und spätesten 10jährigem Mittel flankiert und bilden somit die langfristige Tendenz, um die jährlichen Einzelwerte besser einordnen zu können. Der Austrieb findet tendenziell immer früher statt. Lag er früher Anfang Mai, hat sich das Entwicklungsstadien mittlerweile um 2-3 Wochen zu Mitte April verlagert. In extrem frühen Jahren wie 2014, 2017 und 2020 fand der Austrieb sogar Anfang April statt. Der Austrieb ist gekennzeichnet, dass bei den meisten Treiben das erst Blättchen vom Trieb abgespreizt ist. Bereits einige Wochen vorher wachen die Reben aus ihrer Winterruhe und die Gefahr von Schäden durch Frost nimmt rapide zu. Klimawandelprognosen werden in mehreren Szenarien in Modellen abgebildet. Sehr stark vereinfacht kann in drei Szenarien unterschieden werden. Im ersten Szenario gelingt es der Menschheit den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Im 2. Szenario gelingt dies nict, die eingeleiteten Maßnahmen führen zu einem mittleren Temperaturanstieg von 3-4°C. Im 3 Szenario werden keine Maßnahmen ergriffen und die Temperatur steigt um bis zu 8°C. Sicherlich ist letzters ein extremes worst-case Szenario und eher unwahrscheinlich. Die höchste Wahrscheinlichkeit wird vom Verfasser irgendwo zwischen Szenario 1 und 2 angenommen. Wichtig zu wissen ist, dass der genannte Temperaturanstieg immer die jährliche Globaltemperatur angibt. Lokal kann der Anstieg deutlich stärker ausfallen. So wird es gerade für die Weinbauregionen, welche traditionell in sonnigen und warmen Gegebenen liegen, prognostiziert. Bereits jetzt erleben wir, dass einzelne Sommermonate um 4 bis 5 Grad über dem Langjährigen Mittel (Mittelwert von 30 Jahren) liegen, wie z.B. die Sommermonate des Jahres 2018. Dieses Jahr ist vielen als ein extremes Jahr in Erinnerung geblieben. Dennoch wird prognostiziert, dass dieses Jahr Mitte des Jahrhunderts eher als normales Jahr gelten wird. Es wird immer Jahre geben, die kühler sind, aber ebenso Jahre, die noch extremer werden. Zum Temperaturanstieg kommt, dass die für die Vegetation wichtigen Sommerniederschläge in Summe weniger werden, dafür aber zunehmend als Starkregen fallen werden. Durch die hohen Temperaturen wird durch die Vegetation mehr Wasser benötigt (Transpiration) und aus den Böden verdampft mehr Wasser (Evaporation), wodurch die Bodenwasservorräte und das pflanzenverfügbare Wasser schneller erschöpft werden. Niederschläge können weniger gut in ausgetrocknete Boden infiltrieren, wodurch es zu einem verstärkten Oberflächenabfluss und damit der Vegetation nicht nutzbarem Wasser kommen wird. Dadurch führen die Starkregen schneller zu Überflutungen. Überträgt man diese Szenarien auf die Rebentwicklung und den Austrieb, wird ein regelmäßiger Austrieb Anfang April stattfinden. Einer weiteren Verfrühung steht die Abhängigkeit der Rebe von der Tageslänge entgegen. Zumindest bis Mitte des Jahrhunderts wird sich das letzte Frostereignis des Jahres weiterhin im Bereich Mitte Mai (Eisheilige) bewegen. Somit wird sich die Rebe nach Austrieb anstelle von 2 Wochen eher 6 Wochen in einer Entwicklung befinden, die keine Fröste toleriert, diese aber regelmäßig stattfinden werden. Die Spätfrostgefahr steigt rapide. Diese Entwicklung ist bereit im letzten Jahrzehnt (2011 bis 2020) für die Winzer spürbar geworden. In jedem dieser Jahre fand mindestens 1 Spätfrostereignis statt. Dabei machten wenige Zehntel Grad den Unterschied zwischen einem flächendeckenden Spätfrostereignis wie z.B. 2017 oder einem Frost in den schon immer Frostgefährdeten Lagen aus. Ein starker Spätfrost hat zum einen eine unmittelbare Auswirkung auf den Ertrag der Reben. Diese treiben in der Regeln nach einem Spätfrost wieder aus und in den Folgejahren kann normal geerntet werden. Im Jahr des Spätfrosts kann der Ertragsausfall hingegen 100 Prozent betragen. Trifft dies auf viele Flächen eines Betriebes zu, ist dies existenzbedrohend. Darüber hinaus wirkt ein flächendeckender Spätfrost zum anderen mittelbar auch auf die nicht betroffenen Betriebe durch Wirkung auf den Markt. Viele Modelle des Weinbaus sind an der Preisbildung des Fassweinmarktes direkt oder indirekt gebunden. Auch große Selbstvermarkter und Traubenabnehmer orientieren sich oftmals an diesem Preis. De Fassweinpreis selbst ist durch den abnehmende Handel und der zu vermarktenden Menge beeinflusst (Angebot und Nachfrage). Ist das Angebot klein, z.B. durch ein Spätfrost, stehen zunächst Kellereien in der Not, mit wenig Menge im Konkurrenzkampf untereinander den Handel bedienen zu müssen. Die Preise steigen oftmals. Mittelfristig können Kellereien Verträge nicht bedienen bzw. müssen den heimischen Wein gegen ausländischen Wein substituieren. In beiden Fällen verliert der vom Spätfrost betroffene Wein einer Region Regalfläche. Diese wieder zurückzuerobern geht nur über den Preis (nach unten). Der Preis fällt. Da die Rebe im Jahr nach dem Frost oftmals ein Mehrertrag liefert, wird dieser Kreislauf zusätzlich befeuert. In Jahren ohne Spätfrost entwickelt sich die Rebe temperaturanhängig weiter. Durch oftmals sommerliche April- und Maibedingungen und in dieser Phase noch ausreichend Wasser im Boden, explodiert das Rebwachstum förmlich. In solchen Jahren wird die Zeitspanne für die notwendigen Arbeiten immer geringer. Die Blüte fand lange Zeit im Mittel Ende Juni statt. Viele Weinfeste um den Johannistag unter dem Motto „Weinblütenfest“ zeugen noch heute davon. Diese höheren frühsommerlichen Temperaturen bewirken, dass die Rebblüte zeitlich früher stattfindet. Mittlerweile findet die Blüte in der ersten Junihälfte statt. In einzelnen Jahren lag der Zeitpunkt der Hautblüte bereits Ende Mai. Durch den Klimawandel wird sich diese Verfrühung weiter fortsetzen. Auch hier gilt, dass die notwendigen Pflegearbeiten in kürzerer Zeit erledigt werden müssen. Das Entwicklungsstadium Blüte legt maßgeblich den zu erwartenden Erntetermin fest. Im benachbarten Ausland gilt nach wie vor die Regel, dass 100 Tage nach der Blüte geerntet wird. Diese Regel traf bisher auf die Weinberge im eher kühleren Moseltal nicht zu. Die kühleren Temperaturen ermöglichten eine Phase zwischen Blüte und Ernte von 120 Tagen und mehr. Gerade der Riesling profitiert davon enorm. Ein moseltypischer Riesling erlangte nicht wegen des warmen Klimas seinen Weltruf, sondern wegen des kühleren Klimas. Dieser Umstand droht verloren zu gehen und damit besteht die reale Gefahr, dass an der Mosel nicht mehr typische Rieslinge erzeugt werden können. Reift die Traube bei höheren Temperaturen, wird dabei stärker Säure abgebaut, die Mostgewichte schießen durch die Decke und die Zeitdauer ist geringer, um wertvolle andere Inhaltsstoffe anzureichern. Verliert der Moselriesling dieses Alleinstellungsmerkmal, droht die Austauschbarkeit mit nationalen und internationalen Rieslinganbaugebieten. Bereits jetzt werden von Winzern Maßnahmen ergriffen, diese Tendenz abzumildern. Hierbei werden zunehmend Lagen in bisher für Riesling zu kühlen Seitentälern und obere Gewanne in Hauptlagen wieder bepflanzt. Durch den früheren Blühtermin finden zwei additive Prozesse statt. 1. Rückt das Entwicklungsstadium „Reifebeginn“ zeitlich nach vorne. Alleine durch diese Verfrühung reifen die Tauben bei höheren Temperaturen, da der Monat August wärmer ist als der September. Lag der Reifebeginn im letzten Jahrhundert regelmäßig in der ersten Septemberhälfte und manchmal sogar Ende September, muss er jetzt bereits Mitte August mit Tendenz Anfang August erwartet werden. Hinzu kommt 2. dass der Klimawandel gerade die Durchschnittstemperaturen der Sommermonate stark erhöht. Diese dann nochmals wärmeren Temperaturen beschleunigen die Reife zusätzlich. Eine Faustregel besagt, dass durch 1 Grad mehr während der Reifephase die Ernte um eine Woche früher stattfindet. Im Extremjahr 2018 war die Reifephase durch Verfrühung und zusätzlich höhere Temperaturen mit zusätzlichen fast 5 Grad kurz und die Ernte startete Ende September. War ein Beginn der Hauptlese in den 1050er Jahren im November keine Seltenheit, ist ein Start Ende September derzeit eher wahrscheinlich. Der Start der Ernte hat sich somit alleine in 6 Jahrzehnte um 6 Wochen verschoben. Neben sensorische Veränderungen des Weintypus bewirkt der Klimawandel weitere negative Beeinflussungen vor allem beim Riesling. Riesling als Rebsorte hat die Eigenschaft, dass die Beerenschale mit zunehmender Reife porös wird und somit anfällig gegenüber einer Botrytisinfektion ist. Befällt Botrytis spät in der Reifephase bei kühlen Temperaturen, so wie es eher im Oktober bei nebeligen Tagen der Fall ist, entwickelt sich Botrytis langsam. Es entsteht die sog. Edelfäule, welche Inhaltstoffe der Beere verändert und so edelsüße Spezialitäten wie Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese ermöglicht. Wie beschrieben findet die Reifephase aber eher bei sommerlichen Temperaturen statt. Kommt es dann bei höheren Temperaturen während der Reifephase zu nennenswertem Niederschlag, insbesondere nach einem eher Dürreperiode im Hochsommer, platzen die Beeren sehr schnell. Bei hohen Temperaturen breitet sich Botrytis sehr schnell und teilweise auf noch nicht ganz reifen Trauben aus. Ferner können Sekundärpilze als Folge von einer frühen Botrytisinfektion oder bei hohen Temperaturen direkt infizieren und im Extremfall das Lesegut verderben. Um diese qualitativen und quantitativen Ertragseinbußen zu verhindern, muss im Weinberg deutlich mehr Wert auf einer Botrytisvermeidung gelegt werden. Alle Maßnahmen, die die Traubenstruktur auflockern, sind zweckdienlich und auch bekannt. Dennoch kosten diese Maßnahmen Geld und Zeit. Wie oben beschrieben ist Zeit für Pflegearbeiten in der Hauptwachstumsphase eher beschränkt. Durch den Klimawandel wird das vorhandene Zeitfenster kleiner und zusätzliche Maßnahmen nochmals schwerer umzusetzen. Der Klimawandel sorgt ebenfalls für bessere Infektionsbedingungen der heimischen Krankheiten und bessere Entwicklungsbedingungen vieler Schädlinge. 2016 erlebten viele Winzer, dass bei hohen Maitemperaturen und einer Phase heftiger Regenfälle die Peronospora früh und ungeahnt heftig infizieren konnte. In Folge dessen war ein sehr intensiver Pflanzenschutz über die Saison notwendig. Überträgt man dieses Einzeljahr auf die Temperaturprognosen bis Mitte des aktuellen Jahrhunderts, wird der Einsatz von Pflanzenschutz phasenweise intensiviert werden müssen. Diese Tendenz steht allen Bemühungen von Forschung und Praxis den Einsatz von Pflanzenschutzmittels zu reduzieren gegenüber. Diese Entwicklung steht in Dissonanz zum Willen von Konsument und somit der Politik, dass Pflanzenschutz möglichst eng begrenzt wird. Zudem stehen durch höhere Temperaturen weitere Schadursachen bildhaft vor der Haustüre. Neue Krankheiten und auch Schädlinge drohen massive Schäden zu verursachen. Zu nennen wären hier die Goldgelbe Vergilbungskrankheit (Flavescence dorée) und Xylella fastidiosa. Diese Schadursachen verändern die Produktion, sollten sie denn auftreten, nachhaltig. Ein insektizidfreier Weinbau, wie es derzeit vielerorts möglich ist, erscheint dann in weiter Ferne. Die sich ändernde Niederschalgsverteilung führt zu andauernden Dürren. Die Jahre 2018, 2019 und 2020 waren gekennzeichnet von Trockenphasen während der Vegetationsperiode. Dies geht auch nicht spurlos an den Reben vorbei. Geraten Ertragsreben im Wasserstress leidet neben der Menge vor allem die Qualität, je nach Dauer und Intensität der Trockenheit. Hier können kaum umsetzbare Gegenmaßnahmen wie das gezielt Bewässern etabliert werden. Indirekte Maßnahmen wie eine enger Gassenweite oder kürzere Laubwand oder geeignete ( und winterharte) Unterlagen sind in der Regel mit Neupflanzungen verbunden und stehen teilweise fundamentalen Notwendigkeiten hinsichtlich unserer momentanen Steillagenbewirtschaftung entgegen. Die Wasserversorgung von Neuanlagen und Jungfeldern ist nochmals mehr betroffen. Die vergangenen Trockenjahre zeigten, dass in der Steillage eine moderne Tröpfchenbewässerung zwingend notwendig ist, um zum einen die Reben vorm vertrocknen zu bewahren und auch die Jungpflanzen zeitig aus dem Studium Jungfeld in eine Ertragsanlage zu überführen und somit das ewige Jungfeld mit kaum Wachstum zu vermeiden. Dennoch stellt sich auch hierbei die Frage nach der Wasserverfügbarkeit. Um nicht in Zielkonflikt mit anderen Wasserverbrauchern zu kommen, muss das Wasser dann gespeichert werden, wenn es im Überfluss vorhanden ist. Dies bedeutet, dass die Winterniederschläge in ausreichend dimensionierten (Bedarf und Verdunstungsverluste) Speicherbecken gesammelt werden. Hierdurch kann sogar ein kleiner Beitrag zur Hochwasserprävention geleistet werden. Da sich die Speicherbecken im Idealfall oberhalb der zu bewässernden Weinbergen befinden, kann die daran anschließende Bewässerung mit Falldruck erfolgen. Die Etablierung solcher Becken sind nur gemeinschaftlich z.B. mittels Flurbereinigungsverfahren möglich. Fazit Bei allem negativen hinsichtlich Klimawandel lässt sich festhalten, dass der Weinbau und somit die Winzer zu den klaren Gewinnern des bisherigen Klimawandels zählen. Seit den 1980er Jahren profitiert der Weinbau an der Mosel – es gibt faktisch keine schlechten Jahrgänge mehr. Dennoch birgt der Klimawandel aktuelle und zukünftige Herausforderungen. Botrytisprävention, Erhalt der moseltypischen Sensorik vor allem im Riesling und Umgang mit neuen Schädlingen und Krankheiten sind zu nennen. Zudem ermöglicht das wärmer werdende Klima den Anbau von anderen Sorten. Definitiv werden sich Produktionsmethoden an das sich ändernde Klima anpassen müssen. Hierzu bedarf es neben technologischen Möglichkeiten und Verfahren auch bestens ausgebildete Winzer, welche selbst Innovationen voranbringen und Mut zu Veränderung haben und Dinge ausprobieren, frei nach Georg Christoph Lichtenberg: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“. Und dass der Klimawandel im vollen Gange ist, lässt sich nicht bestreiten. ![]() Die Rebe ist eine pflanzenschutzintensive Kulturpflanze. Die beiden pilzlichen Hauptkrankheiten, der Falsche (Plasmopara viticola, Peronospora) und Echte Mehltau (Erisyphe necator, Oidium), sind gegen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika von dortigen Wildrebenarten eingeschleppt worden und trafen auf eine europäische Kulturerbe, die koevolutionär ohne natürlichen Schutz gegen diese Krankheiten ausgestattet ist. Dies führte unmittelbar zu enormen Ertragsausfällen. Kurze Zeit später wurde der chemische Pflanzenschutz auch für die Rebe „entdeckt“; zu dieser Zeit weitestgehend auf Kupfer und Schwefel basierten Anwendungen reduziert. Zeitgleich wurde die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae, Syn.: Viteus vitifoliae) ebenfalls aus Nord-Amerika eingeschleppt. Viele Literaturquellen machen diesen Schädling, neben den beiden Mehltaupilzen, für den Niedergang des europäischen Weinbaus in vielen Regionen Europas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hauptverantwortlich. Richtig ist, dass diese Schadursachen den europäischen Weinbau vor ungeahnte Herausforderungen stellten und eine ertragsstabile Produktion fast unmöglich machten. Auf der anderen Seite muss diese Phase im historischen Kontext eingeordnet werden: in Europa war die industrielle Revolution im vollen Gange; Deutschland erlebte nach der Reichsgründung 1871 einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung. Die Industrie bot auf einmal scheinbar gut bezahlte Arbeitsplätze. Viele junge Menschen orientierten sich weg von der landwirtschaftlichen Produktion. In dieser Phase beschleunigten die neuen Schaderreger und Krankheiten diesen Prozess. Die Reblaus konnte relativ schnell durch das erste biotechnologische Verfahren eingedämmt werden. Durch Züchtung gelang es natürliche Resistenzgene gegenüber der Reblaus aus v.a. nordamerikanischen Wildreben in Unterlagen einzukreuzen. Da die europäische Rebe weniger empfindlich gegenüber der oberirdischen Form der Reblaus (Blattlaus) ist, aber anfällig am Wurzelwerk (Wurzellaus) und die amerikanischen Wildreben genau andersherum, brachte man mittels Pfropfung beide Eigenschaften zu Ungunsten der Reblaus zusammen: tolerante/resistente Unterlagen und darauf ohne eigene Wurzel die europäische Kulturrebe mit ihren Sorten als Edelreiser. Hierdurch konnten die Sorten weiterhin angebaut werden. Speziell an der Mosel fand die Reblaus in den skelettreichen Schiefersteillagen ein Habitat vor, welches eher schlecht besiedelt werden kann. Daher konnte die Reblaus an der Mosel etwas weniger Schaden verursachen. Dies ist im Übrigen mit auch ein Grund für den internationalen Aufschwung des Moselweins zu dieser Zeit. Andere Anbaugebiete mussten Rebfläche roden bzw. aufgeben und die Mosel konnte weiterhin Wein anbieten, war zuzusagen „lieferfähig“. Dies und neue Transportwege im neu gegründeten Kaiserreich ermöglichten die schon damals vorzügliche Qualität des Moselrieslings einem internationalen Publikum zu Spitzenpreisen anzubieten (siehe Kapitel „Historie“). Zu Beginn des 20. Jahrhundert entwickelte sich der chemische Pflanzenschutz weiter. Auch der Hautschädling, der Traubenwickler, wurde chemisch mittels Insektiziden bekämpft. Für die pilzlichen Krankheiten wurden Fungizide verwendet und die Produktion konnte gesichert werden. Kehrseite dieser Entwicklung war, dass die verwendeten anorganischen Verbindungen sehr schädlich gegenüber dem Anwender waren und zudem eine breite Wirkung auf Nicht-Zielorganismen und auch auf Nützlinge hatten. Das Ökosystem Weinberg wurde nachhaltig zum Schlechteren verändert. Aus heutiger Sicht ist dieses Vorgehen zweifelhaft und eher nicht nachvollziehbar. Aus Sicht der damaligen Zeit betrachtet stellte sich die Frage: wende ich diese Mittel an und sichere meine Lebensgrundlage oder leidet die Winzerfamilie buchstäblich Hunger. Ein trauriges Beispiel stellte die Verwendung von auf Arsen basierten Mitteln dar. Schädlinge und Krankheiten konnten sehr effizient eingedämmt werden. Allerdings vergifteten sich die Anwender selber auf zwei Wegen. Zum einen durch die Aufnahme über Lunge und Haut während der Anwendung selbst und zum anderen durch Aufnahme durch den Weinkonsum. Letzteres betraf weniger die Kundschaft, welchen Wein kaufte, als die Winzer selbst. Die arsenhaltigen Verbindungen lagerten sich überwiegend auf der Beerenschale selbst ab und wurden beim normalen Pressvorgang kaum gelöst und bleiben im Kelterrückstand. Dieser daraus gewonnene Wein stellte die einzige Einnahme der Winzer dar und wurde restlos verkauft. Neben dem Viez (Apfelwein) wollten die Winzer aber selbst Wein zu besonderen Anlässen trinken. Daher wurde der Kelterrückstand mit Zuckerwasser erneut eingemaischt und mit noch höherem Druck ausgepresst. Der daraus gewonnene „Wein“ war qualitativ minderwertig und über den Einmaischeprozess stark mit den arsenhaltigen Verbindungen angereichert. Glücklicherweise wurde dieser Umstand schnell erkannt und in Folge dessen auf mehr Anwenderschutz bei der Entwicklung von neuen Pflanzenschutzmitteln gelegt. Spätestens seit den 1970iger Jahren hielten organische Verbindungen als Wirkstoffe Einzug in den Rebschutz. Organische Verbindungen haben den entscheidenden Vorteil, dass sie oftmals in die Pflanze eindringen und dort wirken, also deutlich selektiver auf Zielorganismen wirken und deutlich nützlingsschonender sind. Dennoch wurden bis in die 1980iger Jahre massiv Insektizide im Weinbau eingesetzt. Dies war vor allem mangelndem Wissen um das Ökosystem und um das Wirken von Nützlingen geschuldet. Durch den breiten und häufigen Insektizideinsatz wurden Schädlinge weitestgehend im Weinberg beseitigt. Zeitgleich wurden Nützlinge ebenfalls massiv beeinträchtigt. Manche Schädlinge konnten sich so ohne natürliche Gegenspieler massenvermehren, verursachten Schäden und mussten mit noch mehr an Insektizid bekämpft werden. Als Beispiel dienst hier die „Rote Spinne“. Ohne den natürlichen Gegenspieler Raubmilbe konnte sich die Rote Spinne massenvermehren und schädigte die Weinberge oftmals so stark, dass es im August zu vorzeitigem Blattfall und somit zum Totalausfall der Ernte in die betroffene Parzelle kam. Mitte der 1980er Jahre konnte dieser negative Kreislauf durchbrochen werden, nicht zuletzt durch die Forschungs-, Beratungs- und Lehrtätigkeit der Weinbauschulen. Die Raubmilbe als wichtiger Gegenspieler wurde erkannt, Mittel und Wege erforscht, wie die Raubmilbenpolulation geschont (Spritzmittel) bzw. gefördert (gezielte Ansiedlung, Begrünungsmanagement) werden konnte. Innerhalb kürzester Zeit konnte sich die Raubmilbenpopulation erholen und auf natürliche Weise die Schadmilben regulieren. Mittlerweile kennt nur noch die ältere Generation die typischen Schadbilder und jüngere Winzer kennen diese Schadbilder nur aus Erzählungen und Aufzeichnungen. Dies führte neben vielen anderen „Kleinigkeiten“ im Wissen und Anwenden um Nützlinge dazu, dass viele tierische Schädlinge kaum mehr in Erscheinung treten und es momentan nur ein einziger Schädling im deutschen Weinbau existiert, welcher kein Gelegenheitsschädling ist und jährlich reguliert werden muss: der Traubenwickler. Aber auch hier hat es relativ schnell eine nicht chemische Alternativ zu den Insektiziden gegeben. Der Traubenwickler schädigt v.a. die jungen Beeren durch Fraß im Juvenilstadiums (Sauerwurm) und schafft damit der Botrytis eine Infektionsgrundlage. Dies kann ohne Regulierung zu erheblichen Ertragsverlusten durch Botrytis führen. Durch die sogenannte Pheromonverwirrung kann der Traubenwickler komplett umweltfreundlich reguliert werden. Hierbei werden mittels Dispenser weibliche Sexuallockstoffe während der ganzen Vegetationsperiode gleichmäßig in den Weinbergen verteilt. Dadurch finden Männchen kein Weibchen und es kommt nicht zur Begattung, wodurch wiederum keine Würmer vorhanden sind und somit die Beere nicht angefressen werden kann. Durch diese Pheromonverwirrung kann montan ein praktisch insektizidfreier Weinbau betrieben werden. Diese enorm positive Entwicklung, vom massiven Insektizideinsatz hin zu einem nützlings- und umweltschonenden Weinbau kann ebenso auf den Einsatz von Herbiziden übertragen werden. Bis in die 1970er Jahren war der Einsatz von Herbiziden eher unüblich bzw. wegen nicht Vorhandensein von Herbiziden keine gelebte Praxis. Beikräuter wurden dennoch als Konkurrenz zur Rebe um Nährstoffe und Wasser angesehen und mechanisch (Seilzugverfahren) oder manuell (Hacke) ganzflächig beseitigt und dies bereits so lange, wie es den Weinbau gibt. Die Nährstoff- und Wasserkonkurrenz war nicht aus der Luft gegriffen: vor dem Einzug von zertifizierten Pflanzgut und ertragsstabilen Klonen ab ca. Ende der 1960er Jahre, waren Reben oftmals wurzelecht, blühempfindlich, ertragsschwach sowie alt und wurden selbst über Stecklinge im Weinberg an Fehlstellen vermehrt. Zudem waren die damaligen Reben oftmals virusinfiziert. Solche Reben reagieren deutlich früher auf Wasser- und Nährstoffkonkurrenz (Eine Betrachtung von eingeschränkter Nährstoffverfügbarkeit bis in die 1960iger Jahre, was die einzige Nährstoffquelle der betriebseigene Mist von Kühen und Schweinen (und manchmal Pferden), welcher mittels Kreislaufwirtschaft in die Weinberge gebracht wurde und das Aufkommen von Mineraldünger die Entwicklung zu reinen Weinbaubetieben, würde an dieser Stelle zu weit führen.). Die permanente Beikrautregulierung mittels Seilzug und/oder Hacke war sehr zeitintensiv und ein maßgeblich limitierender Faktor in der Flächenleistung. Durch Verwendung von Herbiziden (damals teilweise mit Vorauflaufmitteln mit Dauerwirkung von Monaten (und Jahren)) konnte dieser limitierender Faktor aufgehoben werden und Weinbau deutlich rationaler pro Fläche betrieben werden. Zeitlich später setzte die Mechanisierung im Direktzug (Traktor und Anbaugeräte) und noch später im Steilhang (RMS) ein und ermöglicht mittlerweile zusammen mit ertragsstabilen Klonen eine Bewirtschaftung ohne den ganzflächigen Einsatz von Herbiziden. Mittlerweile ist es Gute Fachliche Praxis, dass die Begrünung gezielt gesteuert wird, um positive Effekte wie Humusaufbau, Biodiversität, Nützlingsförderung, auszunutzen. Herbizide werden bis auf wenige extreme Steillagen mit Moseleinzelpfahlerzieheung lediglich im Unterstockbereich eingesetzt. Und auch dort hat die technische Entwicklung mechanische Alternativen ermöglicht, sodass im Direktzug heute auf Herbizid verzichtet werden kann. Die mechanische Regulierung der Beikräuter forciert in Steillagen allerdings die Erosion. Zumal durch Klimawandel eher mit sommerlichen Starkregenereignissen zu rechnen ist. Zumindest als Feuerwehrmaßnahme wird der Steillagenweinbau auch zukünftig ein Herbizid benötigen. Durch Wissensgenerierung und Wissenstransfer hat sich der Pflanzenschutz im Weinbau in den letzten Jahrzehnten massiv gewandelt. Insektizide wie Herbizide sind bis auf wenige Ausnahmen weitestgehend überflüssig geworden. Anders verhält es sich bei den Fungiziden. Unsere traditionellen Rebsorten sind sehr anfällig und müssen mittels Fungiziden geschützt werden. Dies trifft auf alle Produktionsrichtungen, also integriert wie ökologisch, zu. Im ökologischen Pflanzenschutz wird lediglich auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet, welche widersprüchlicher Weise oftmals eine bessere Ökobilanz haben, als die benutzbaren Kupfer- und Schwefelmittel. Letztere zählen ebenfalls zu chemischen Verbindungen und werden ebenso produziert. Wegen geringerer Wirksamkeit und fehlender Regenfestigkeit müssen ökologisch produzierende Winzer allerdings deutlich häufiger die Reben behandeln. Einerseits profitiert(e) der Weinbau in Deutschland und vor allem an der Mosel vom bisherigen Klimawandel. Die kultivierten Rebsorten werden jedes Jahr nicht nur reif, sondern es können jährlich Spitzenqualitäten geerntet werden. Mittlerweile ist der Zuckergehalt nicht mehr der limitierender Faktor, ganz im Gegenteil, ist es strebenswert den cool-climate Geschmack v.a. von Riesling mit moderaten Alkoholgehalten zu bewahren. Die Kehrseiten des Klimawandels sind bessere Infektionsbedingungen von etablierten Krankheiten (wie z.B. Peronospora, Schwarzfäule), welche zu einem intensiveren Pflanzenschutz führen. Hierdurch werden Erfolge in der Nutzung von Prognosemodellen und die damit verbundene Möglichkeit der Mitteleinsparung im negativen Sinne überkompensiert. Neue Rebsorten, mit Resistenzen gegenüber den Krankheiten (sog. Pilzwiderstandfähige Rebsorten PiWi), werden gezüchtet und können erheblich dazu beitragen, dass Pflanzenschutz eingespart werden kann. Ganz ohne Pflanzenschutz kommen aber auch dieser Sorten nicht aus. Nachteil an diesen Sorten ist hauptsächlich, dass es eine neue Sorte ist und auch anders schmeckt, mit allen Herausforderungen in der Vermarktung. Zudem stehen im Zuge des Klimawandels neue Schaderreger vor der Tür, welche massive Schäden im Weinbau verursachen. Hier wäre momentan hauptsächlich zu nennen: Flavescence dorée mit ihrem Vektor Amerikanische Rebzikade (Scaphoideus titanus), Xylella fastidiosa und Japankäfer. Diese Quarantäneschadorganismen müssen bekämpft werden, um weiterhin einen wirtschaftlichen Weinbau betrieben zu können. Hierbei wird zwingend auf Insektizide zurückgegriffen werden müssen. Zudem erleben wir momentan eine immense Durchsuchung von Rebbeständen mit diversen Viren. Manche schädigen die Rebe bis hin zum wirtschaftlichen Totalausfall. Überträger sind oftmals noch nicht identifiziert. Diese massive Verbreitung wird einerseits mit besseren Lebens- und somit Verbreitungsbedingungen (Klimawandel), andererseits durch den quasi Verzicht von Insektizide begründet, wodurch sich potentielle Übertrage wie Schmierläuse besser ausbreiten können. Letztere Tendenzen stehen teilweise konträr zum erklärten politischen Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Letztendlich kann dieser Forderung nur durch massive Forschung und unmittelbarem Wissenstransfer in die weinbauliche Praxis begegnet werden, um gesellschaftlich-politische Forderungen und den wissenschaftlichen Begebenheiten nicht zu weit auseinanderklaffen zu lassen. Weinausbau |
![]() | ![]() |
![]() | ![]() | ||||||||||||
|