Bewässerung – die Antwort auf den Klimawandel? - Bodenkundliche und pflanzenphysiologische Grundlagen- |
Vortag von Herrn Dr. Edgar Müller zur 50. Kreuznacher Wintertagung 2006 Klimatische Entwicklung Die Erfahrungen des Jahrgangs 2003, gefolgt von zwei zwar nicht extremen, aber dennoch recht trockenen Jahren haben auch im deutschen Weinbau den Stein „Tropfbewässerung“ ins Rollen gebracht. Tatsache ist, dass die in Bad Kreuznach beobachteten klimatischen Entwicklungen der zurückliegenden Jahre eine Auseinandersetzung mit dem Thema rechtfertigen. Die Jahrestemperaturen zeigen im Trend einen Anstieg um 0,9 °C in den letzten 45 Jahren. Für die Monate Juni bis August liegt der Anstieg des Trends sogar bei 1,9 °C. Entgegen vielfach anzutreffenden Behauptungen zeigt sich bei den Niederschlägen bezogen auf das ganze Jahr kein Trend nach unten. Allerdings ist bei den Sommermonaten Juni bis August, deren Niederschläge besonders auf Standorten mit geringem Wasserhaltevermögen sehr wichtig sind, im Trend ein Rückgang um ca. 20% zu beobachten. Von heißeren und gleichzeitig trockeneren Sommern haben wir in den letzten Jahren überwiegend profitiert. Tatsächlich liegt das letzte wirklich „schlechte“ Weinjahr mit unbefriedigenden Mostgewichten und geringer Reife schon fast 20 Jahre zurück (1987). Es besteht die Gefahr, dass eine Fortsetzung der beobachteten Entwicklungen zukünftig vermehrt zu Problemen führen könnte. Das Jahr 2003 lieferte bereits einen ersten Vorgeschmack. Ungeachtet aller Unsicherheiten lassen die Prognosen der Klimaforscher ein Fortschreiten dieser Entwicklungen erwarten. Wasserhaushalt der Pflanze Der Schlüssel zum Verständnis des Wasserverbrauchs der Pflanze, des Wassertransports in der Pflanze sowie der Wasseraufnahme aus dem Boden und der Ursachen von Wassermangel in der Pflanze ist das Wasserpotenzial. Darunter versteht man das Energiepotenzial des Wassers. Seine Höhe resultiert aus äußerst komplexen physikalischen Zusammenhängen. Ähnlich einem natürlichen Gewässer fließt Wasser vom hohen Energiepotenzial des Bodens durch die Pflanze zum niedrigen Energiepotenzial der Atmosphäre oder -von der Gegenseite betrachtet- das niedrige Energiepotenzial der Atmosphäre “saugt” das Wasser im Boden aufgrund dessen höherem Energiepotenzial an. Die Wasserpotenzialdifferenz zwischen Boden und Atmosphäre ist der “Motor” des Wassertransports in der Pflanze. Der Wassernachschub für die Verdunstungsverluste an den Blättern ist demnach solange gegeben, wie ein Potenzialgefälle zwischen Boden und Blättern besteht. Bei austrocknendem Boden fällt dessen Wasserpotenzial. Die Blätter müssen dann ihr Potenzial ebenfalls fortlaufend absenken, um ein Potenzialgefälle aufrecht zu erhalten. Diese Fähigkeit der Blätter ist jedoch auf einen Wert von ca. – 1,6 MPa (- 16 bar) begrenzt. Ist das Wasserpotenzial des Bodens durch fortwährenden Entzug ebenfalls bis in diese Größenordnung gefallen, kann kein weiterer Wasserfluss in die Pflanze mehr stattfinden. Die Pflanze droht auszutrocknen. Zum Schutz vor Austrocknung setzen bei ca. – 0,25 MPa in der Pflanze erste Reaktionen auf drohenden Wassermangel ein, die sich bei weiter abfallenden Werten verstärken. Wasserhaushalt des Bodens Die Korngrößenzusammensetzung verleiht einem Boden seine charakteristischen Eigenschaften im Hinblick auf den Wasserhaushalt. „Leichte“ Böden (viel Sand und/oder hoher Steinanteil) speichern zwar wenig Wasser, das aber zum überwiegenden Teil für die Pflanze nutzbar ist. „Schwere“ Böden mit hohem Tonanteil weisen diesbezüglich gegenteilige Eigenschaften auf. Das aufnehmbare Wasser ist auf leichten Böden zudem zum überwiegenden Teil mit wenig „Anstrengung“ d.h. geringer Saugspannung entziehbar, während auf schweren Böden ein großer Teil des verfügbaren Wassers erst mit relativ hoher Saugspannung aufnehmbar ist. Wasser – wie viel darf‘s denn sein? Die Wasserversorgung hat in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Rebe sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die vegetative Leistung sowie die generative Leistung im Sinne von Ertrag und Weinqualität.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine rebsortenspezifische Optimierung (nicht Maximierung !!) des Wasserangebots insbesondere in der Phase II und in den ersten ca. 3 Wochen der Phase III besonders wichtig ist. Größere Ertragsschübe bleiben aus und Wirkungen mit positiven Auswirkungen auf wünschenswerte Inhaltsstoffe sind zu erwarten. Beim Riesling im Kreuznacher Kahlenberg erstreckt sich dieser Zeitraum im Schnitt der Jahre von ca. Anfang August bis knapp Mitte September. Gleichzeitig ist dies auch die Phase, in der statistisch betrachtet, am häufigsten mit Wasserknappheit zu rechnen ist. Steuerung der Bewässerung „Nicht das was man hat, sondern das was man empfindet, entscheidet über das Wohlbefinden“. Dieser philosophische Ausspruch lässt sich auch auf die Rebe im Hinblick auf ihren Wasserversorgungsstatus und ihre Reaktionen übertragen. Der Wasserversorgungsstatus der Pflanze und insbesondere die von ihr zu erwartenden Reaktionen hängen demnach weniger von dem noch vorhandenen aufnehmbaren Vorrat im Boden als vielmehr von der für die Aufnahme erforderlichen Saugspannung, also der aufzubringenden „Anstrengung“ ab. Dies wie auch die Tatsache, dass das durchwurzelte und demnach als Wasserspender erschlossene Bodenvolumen bei Reben in Abhängigkeit von Boden- und Untergrundbeschaffenheit, Alter der Anlage und Unterlage außerordentlich variabel sein kann, ist der Grund, warum punktuelle Untersuchungen des Wasservorrats oder des Wasserpotenzials im Boden bei Reben ein wenig taugliches Instrument zur Ableitung einer Bewässerungsnotwendigkeit sind. Die Bestimmung des Blattwasserpotenzials um Sonnenaufgang mit der so genannten „Scholanderbombe“ ist derzeit die einzige Methode, um den Wasserversorgungsstatus und damit auch die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß von Stressreaktionen verlässlich bewerten zu können. Da die Spaltöffnungen nachts geschlossen sind, kommt im Laufe der Nacht der Wasserstrom vom Boden in die Pflanze zum Erliegen, so dass sich das Wasserpotenzial von Boden und Blatt im Laufe der Nacht allmählich angleichen. Die Ermittlung des Blattwasserpotenzials sagt etwas darüber aus, „wie es der Pflanze geht“. Dies ist die Grundlage für die Entscheidung, ob momentan eine Verbesserung der Versorgung durch Bewässerung sinnvoll ist oder nicht. Das Blattwasserpotenzial sagt wenig darüber aus, welcher aufnehmbare Vorrat noch vorhanden ist. Dieser lässt sich jedoch auch mit bodengestützten Methoden kaum quantifizieren, da das durchwurzelte Bodenvolumen kaum zu ermitteln ist. In Wetterphasen mit Trockenstressrisiken ist die Untersuchung in ungefähr wöchentlichen Abständen zu wiederholen. Für eine orientierende Untersuchung sollten etwa 10 bis 20 Blätter (Haupttriebblätter im mittleren Bereich der Laubwand) pro Parzelle untersucht werden, was eine geübte Arbeitskraft in einem Zeitraum von ca. 30 bis 60 Minuten erledigen kann. Der tägliche auf etwa 2 Stunden beschränkte Untersuchungszeitraum und die äußerst „unangenehme“ Uhrzeit dürften der Ausbreitung der Methode Grenzen setzen, es sei denn, die Untersuchungen werden professionell organisiert. Auch hier könnte es zukünftig die EDV und das Internet sein, die dieses Dilemma lösen können. Simulationsverfahren zur Ermittlung der Bewässerungsnotwendigkeit haben sich bereits seit einigen Jahren bei einigen gärtnerischen und landwirtschaftlichen Kulturen bewährt. Seit 2 Jahren wird unter der URL www.agrowetter.de/produkte/beregnung/index.htm auch für den Weinbau eine Simulation angeboten. Die ersten Untersuchungen erbrachten recht brauchbare Ergebnisse, die in gutem Einklang mit vor-Ort-Messungen standen. Dabei obliegt es dem Winzer, wichtige Grunddaten für die Parzelle zu liefern, von deren Güte die Qualität der Ergebnisse in hohem Maß abhängt. Dazu zählen z.B. Angaben zur Bodenart, zum Bodenpflegesystem und zu den lokal gemessenen Niederschlägen. Aus diesen Daten ermittelt ein Simulationsprogramm unter Berücksichtigung regionaler Wetterdaten und der Wetterprognose Informationen zur Beregnungsbedürftigkeit.
Praktische Anwendung Hinsichtlich der auszubringenden Wassermengen und der Beregnungsintervalle ist immer die Bodenart zu berücksichtigen. Prinzipiell haben kleinere Gaben in kürzeren Intervallen den Vorteil, dass sie nur kurze Zeiträume mit überschaubarer Wetterprognose überbrücken. Damit sinkt dass Risiko, dass durch nicht eingeplante starke Niederschläge eine Überversorgung eintritt. Auf leichten Böden bildet sich unter einem Tropfer eine schmale aber tief nach unten reichende „Feuchtigkeitszwiebel“. Relativ schnell kann es zu einer Nitratverlagerung in unerwünscht tiefe Zonen kommen. Aufgrund der stärkeren Wirkung von Kapillar- und Adsorptionskräften verteilt sich auf tonreicheren Böden das Wasser mehr in die Breite und weniger in die Tiefe. Aus den bisher gesammelten Erkenntnissen lassen sich für „Standardanlagen“ (Drahtrahmen mit 4.000 bis 5.000 Stock/ha) folgende Empfehlungen ableiten: Wassergaben ca. 1,2 bis 1,5 L/Rebe/Tag: Daraus ergeben sich Mengen von 30 bis 40 m³/ha/Woche bzw. ca. 130 bis 180 m³/ha/Monat (= 13 bis 18 mm). Die monatlich erforderliche Wassermenge bei völlig ausbleibendem Niederschlag betrüge demnach nur ca. 30% eines durchschnittlichen Augustniederschlags (54 mm) in Bad Kreuznach; ein Indiz für die hohe Wassernutzungseffizienz von getropftem Wasser. Ungeachtet der bisher in Deutschland gesammelten Ergebnisse und Erfahrungen mit der Tropfbewässerung, die sich in dem Beitrag von Dr. Bernd Prior finden, lassen sich aus den Ausführungen eine Reihe weiterer wichtiger Erkenntnisse ableiten:
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